Die Knüppelgarde

 

 

Die Knüppelgarde – ein historisches Dokument der Heppenheimer Nachkriegszeit

Angela Di Turi, Mitglied des Heppenheimer Geschichtsvereins hat es auf dem Flohmarkt entdeckt: ein Büchlein mit handschriftlichen Einträgen, betitelt: „Knüppelgarde“. Dabei handelt es sich um ein Wandertagebuch einer Gruppe junger Menschen aus Heppenheim und Nachbarorten. Zwischen 1946 und 1953 machte diese „Knüppelgarde“ zahlreiche Ausflüge in die Umgebung Heppenheims, die sie schriftlich dokumentierte und bebilderte. Diese interessante Quelle soll hiermit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Herr R. Hillenbrand, der Sohn des ehemaligen Eigentümers Engelbert Hillenbrand, hat der digitalen Veröffentlichung auf der Internetseite des Heppenheimer Geschichtsvereins zugestimmt, wofür wir ihm herzlich danken. Der Text wurde von Angela Di Turi sorgfältig und zeichengetreu transkribiert und von Karl Härter korrigiert. Zur seitenweisen dargestellten Transkription (links) kommen die Originalseiten mit den Zeichnungen (rechts). Ausgelassen wurden lediglich Textteile und Seiten, auf denen sich personenbezogene Informationen finden. Sollte sich dennoch einer der im Text genannten Personen in seinen Rechten verletzt sehen, kann er den Geschichtsverein kontaktieren, der die entsprechenden Passagen gegebenenfalls herausnehmen wird. Der Heppenheimer Geschichtsverein wünscht allen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen beim Eintauchen in die Erlebnisse der Knüppelgarde rund um Heppenheim.

Angela Di Turi: Wie ich zur Knüppelgarde kam

„Das Wandern ist des Müllers Lust“, so heißt es in einem alten Volkslied. Und dass das Wandern als Volkssport der Deutschen gilt, ist nicht erst seit gestern bekannt. Dies nahm sich auch die 1946 gegründete Knüppelgarde zu Herzen.

Die Knüppelgarde, wer soll das denn sein? Das fragen Sie sich sicherlich nun. Genau das gleiche habe ich mich auch gefragt, als ich im Frühjahr 2020 bei der Haushaltsauflösung der Gaststätte „Am Stadtgraben“ in Heppenheim das „Wanderbuch der Knüppelgarde“ entdeckte. Beim ersten Durchblättern vor Ort haben mich sofort die wunderschönen Zeichnungen begeistert und mir wurde klar, dass ich dieses Buch einfach mitnehmen musste.

Zuhause angekommen durchstöberte ich mit wachsender Begeisterung das liebevoll gestaltete Vereinsbuch mit zahlreichen Wanderberichten aus der Nachkriegszeit. Mal heiter, mal nachdenklich und mal poetisch ausgeschmückt beschreiben darin die Mitglieder der „Garde“ ihre Erfahrungen während und zwischen den Wandertouren, die sie bis in das Jahr 1957 erlebten. Die Knüppelgarde, so stellte sich heraus, war ein in Heppenheim ansässiger Wanderverein aus jungen Leuten Anfang 20, die sich gerade in ihrem Studium oder der Ausbildung befanden und die gemeinsame Lust am Wandern teilten und die wiedergewonnene Freiheit nach dem Krieg genossen.

Bei meiner Lektüre stieß ich immer wieder auf Schwierigkeiten, die maßgeblich auf die Handschriften und die überwiegend deutsche Schrift zurückzuführen sind. Aufgrund meines Geburtsjahres 1989 sind meine im Rahmen der Ahnenforschung selbst angeeigneten Kenntnisse dieser Schrift nur rudimentär.

So stand das Wanderbuch mehrere Jahre in meinem Bücherregal und mich trieb immer mehr der Wunsch, wirklich alle Texte zu entziffern. Aufgrund meines Interesses an der Heppenheimer Stadtgeschichte trat ich im Herbst 2022 dem Geschichtsverein bei und suchte dort alsbald nach Unterstützung für die Transkription des Buchs. Diese fand ich in Gestalt von Frau Irene Menninger und ihrem Mann Martin Metzendorf. Bei unseren persönlichen Treffen konnten sich die beiden sofort für diesen „Schatz der Zeitgeschichte“ begeistern und horchten bei den Mitgliedern der Garde auf, da ihnen der Familienname des Gründers Engelbert Hillenbrand bekannt war. Die beiden ermunterten mich und rieten mir, mit Frau Rehbein vom Stadtarchiv und dem Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Herrn Prof. Dr. Karl Härter, Kontakt aufzunehmen, um das Buch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gleichzeitig rieten Sie mir, mit M.L. Hillenbrand, der Inhaberin des ehemaligen „Le Chocolat“ in Heppenheim, Kontakt aufzunehmen, da sie vermuteten, dass ein Verwandtschaftsverhältnis zu den Gründern der Knüppelgarde bestehen könnte.

Direkt am nächsten Tag setzte ich mich ans Telefon und kontaktierte Frau Hillenbrand im Schokoladengeschäft, die mir den direkten Kontakt zu ihrem Mann R. Hillenbrand, einem Sohn von Engelbert Hillenbrand, vermittelte. Bei unserem ersten Telefonat war Herr Hillenbrand zugleich erschrocken und erfreut, da das Buch seit 2020 verschollen war und kläglich vermisst wurde. Wie ich mir schon lange dachte, sollte dieses wundervolle Stück Familiengeschichte nie verkauft werden und war nur irrtümlich einer Entrümpelung „zum Opfer gefallen“. Herr Hillenbrand bot mir direkt seine Unterstützung bei der Transkription sowie allen weiteren Vorhaben an. Bei einem ersten persönlichen Treffen bei mir zuhause konnten wir feststellen, dass wir beide die Faszination für das Buch teilen und der Meinung waren, dass dieses Werk der Kameradschaftlichkeit, Freude und Zuversicht in die damalige Zukunft nach dem zweiten Weltkrieg nicht in Vergessenheit geraten sollte. Im Anschluss verbrachten mein Mann und ich die kalten Abendstunden des Novembers damit, in die Welt der Knüppelgarde einzutauchen und dem Wanderbuch alle Geheimnisse zu entlocken.

Herr Hillenbrand stimmte zu, dass Frau Rehbein eine Digitalisierung des Buchs durchführen durfte, um neben den transkribierten Texten auch die originalen handschriftlichen Berichte und kolorierten Zeichnungen darstellen und künftig für jedermann nacherlebbar machen zu können.

Nachdem Karl Härter die Transkription korrigiert hat, soll das Wanderbuch der Knüppelgarde auf der Internetseite des Heppenheimer Geschichtsvereins allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Mich als „junger“ Mensch, hat vor allem der erlebte Wandel der Zeit und die Gemeinschaftlichkeit der Gruppe begeistert. Das Original hat endlich seinen Weg zurück in die Familie Hillenbrand und damit nach Hause gefunden.

Gründungsurkunde

Heute, den 23. April 1946, abends 21 Uhr wurde in der Villa Hammerruh – Heppenheim die Knüppelgarde ins Leben gerufen. Die Sitzung war geheim. Satzungen werden demnächst vereinbart.

Heppenheim (Bergstr.)

Engelbert Hillenbrand, Cläre Kalisch

1.Mai 1946

Wie das eigentlich kam, davon die späteren Blätter Zeugnis geben, kann niemand von uns je deutlich ergründen. Aber wir möchten auch keineswegs versuchen, die stillen Räume jenes Werdens zu durchforschen, um unser eigenes empfindsames Zueinanderfühlen bloßzulegen. In das nahe Beieinander der Winterabende fiel der Keim und als ob es schon lange des Bedens harrte gedieh es an unser aller Erwartung vorbei zu einem sicheren Wesen. Es mangelte ihm nicht an drohenden Zeichen der ersten Entwicklung, aber wir könnten nicht sagen, wir hätten gebangt; denn wir wussten noch nicht, was werden wollte. So blieb alle Sorge dem Werdenden selbst anheim gegeben, und darum auch wuchs es unberührt und frei auf. Aber unbewußte Gespräche träufelten bisweilen, dann und wann rieselten sie, doch auf diesen von winterlicher Sehnsucht gezeugten Keim. Und als kaum die Tage erstarkten und Ostern in Erwartung war, sahen wir uns plötzlich wie in einem Anflug von offener Erkenntnis dem Gewächs unserer fruchtbaren Winterstunden rund um den Tisch freudig gegenüber. Worüber haben wir in diesem heiligen Augenblick gesprochen? Von etwas Nahem, Vertrauten, als sei es schon immer mit uns gegangen:

Wir werden wandern –

Wandern alle, so wie wir eins waren an dem runden Tisch, träumend die Sonne in blasser Ferne sahen und uns in die Vorahnung ihrer wahren Wärme einspannen; wandern an dem Tag, der das Tor zur neugewordenen Natur aufstoßen wird.

Was stand zu fragen? Da war unser aller einer Gedanke, unser Wunsch, unser Wollen, da war unser Wanderklub.

Als Ostern vorüber war, und der Mai kam, fanden wir uns am Vorabend des 1. Maitages in „Hammerruh“ zusammen. Es galt, der ersten Wanderung zum guten Start zu verhelfen. Wenn man nur wüsste, wohin! Natürlich in die Berge! Was haben wir in den Niederungen zu suchen? Aber die Berge haben viele Gipfel und jedes birgt seine Tugenden. Irmel brütete eine Weile schon auf der harten Entscheidung, mit uns aus Neigung, oder mit dem auch eigentlich netten Apothekenpersonal aus ethischer Pflicht

zu wandern. Zwar ward versucht, das Schicksal zu unseren Gunsten zu zwingen, es bot aber nirgends eine offene Flanke. Und wir mussten fürs Erste die Bitternis einer Aufspaltung unserer Wege in den Start nehmen. Ja doch, unser Ziel! Nun, was sollen wir mit hatgesottenen Zielen? Wir wandern; einfach und offen, gen Osten, wo die Sonne aus den Bergen steigen wird, in Wälder und Haine, die von Tau und Licht übersprüht; die Pfade und Säume sind unser Ziel und über uns wird der Himmel sein mit Sonne und Wolken …

Taufrisch stieg der erste Tag des Mai aus der nächtlichen Welt. Aber der aufgrauende Morgen schon ahnte in der östlichen Helle den warmen Tag, und ein wohliger Schauer rann, Sonne vorausfühlend, durch unsere Glieder, als wir in leichter Wandertracht den Maiberg emporklommen.

Wir, das soll heißen: Cläre, Engelbert und Schreibers. Wo haben wir Karl Vock gelassen, der gestern noch von diesem Wandern lachte und sprach? Nun war er nicht dabei. Eine kleine, rührende, aber irrtümliche Rücksicht auf zwei von uns, hörte man, habe ihn verzichten lassen. –

Als uns die ersten Sonnenstrahlen trafen und sie mit dem lichten Frühhauch in tausendfältigem Spiel durch Bäume und Blätter tanzten und ein grün-goldenes Gefunkel durch den Wald zauberten, war das vergessen und es tat sich in unaussprechlicher Schöne die freie Welt des Frühlings vor uns auf. Da wanderten wir, rastlos verströmenden Herzens und jubelzitternd mitten hinein.

Worte fielen wenig, wo hätten sie gedacht werden können, da die Fülle des jungen Maien die Sinne überströmte und alles betörte! Aber Lieder brachen auf, unaufhaltsam und sprangen munter fort zu ihren Geschwistern, dem funkelnden Licht und dem spielenden Frühwind.

Bergauf gings, durch hohen Buchenwald, durch Haine und Hecken, über Fluren und Äcker, auf Wegen und Pfaden und über uns die steigende, überwältigende Sonne und um uns eine in Lichtflut brandende Welt.

Kein Mensch weit umher störte unsere innige Dreiheit im Wandern, die wir uns schweigend erfühlten. Einmal nur erschien eine hohe schwarze und schweigende Gestalt gemessenen Ganges, wuchs und entschwand, der Pfarrer. – Erbach durchzogen wir. Sittsam hegte es eine heilige Stille in seinen Gärten und Höfen. Jenseits suchten wir Pfad und Weg zum Salzkopf. Und bevor wir noch einmal in ein sanft grünes Wiesental hinabglitten, das die Lenden des einen der beiden Zwillingskegel des Salzkopf umkleidet, führte der Weg uns noch einmal durch einen gar prächtigen Buchenwald. Da war es, als sollten die reinen zahllosen Linien der Stämme und ihr glitzerndes Grün uns läutern von vielfacher Beschwernis des Daseins. Jenseits des Wiesengrundes zwang

uns die steile Kuppe zu hartem Aufstieg. Uns entgegen sprang eine lustige Schar junger Menschen, Blumen im Knopfloch und Blumen im Haar, die des Gipfels sicher schon müde waren. Wer könnte auch immer auf Gipfeln bleiben? Jetzt hatten wir ihn errungen und freuten uns der bestandenen Mühe. Aber ringsumher versagte dichtes Unterholz jeden Blick in die Weite. Zum Holzturm führte keine Leiter mehr und die nackten, feuchten und altersmorschen Stämme wehrten sich unserem Klettern. Als habe das Schicksal in uns einen unschuldigen Rachegedanken gesponnen – : unweit wuchsen zwei riesige einsame Buchen über das dunkle Kleinzeug eines Fichtenschlags hinweg. In die Rinde hinein grub unser Messer Spur auf Spur, bis ein Gebilde erkenntlich wurde, das einem Wappen oder einem Ochsenkopf gleiche mochte, dazu Tag und Jahr der Tat. An der Ostflanke des Kegels sprangen wir hinab und weiter und erreichten bald jenen Teil des Höhenzugs der Juhöhe, der weder der einen Landschaft der Bergstraße und Ebene noch dem Weschnitztal und Odenwald gehört, sondern nur sich selbst und seinem einsamen Himmel über ihm. Hier hörte der Buchenwald nach Süden hin auf und die mittägliche Sonne füllte behaglich den Waldrand. Hier bei Wald, Grün, Sonne und Moos hieße uns der Mittag lagern. Ein Imbiss stärkte uns. Aber dann schlug die Stille, die Sonne und das urhaft ruhige Rauschen über unsere ausgestreckten Leiber zusammen. – Ein Ruf weckte uns, ganz nahe hatte es geklungen wie ein Anruf: Kuckuck, Heilig war solcher Ruf, so nahe, in dieser Stille, unter diesen Bäumen. Nun blickten wir in die weite Runde, sahen Berge u. Höfe u. Täler im zitternden Mittag: Fern im Südosten die breite Tromm, westl. von uns die Juhöhe, den Kreuzberg im Nordosten den Krähenberg. Und da unten weit ausflurend in bunten Farben u. Feldern bis an die jenseitigen Berglehnen hin das Weschnitztal. Verträumt und in die Falten der Hügel sich bergend die nahen u. fernen Dörfer. Von einem erhöhten Felsen aus tranken wir noch einmal die ganze Herrlichkeit in uns hinein. Nicht weit bergab von hier lag Kreiswald versteckt, einige Häuser in einer nach Süden offenen Waldbucht. Hier fanden wir unser Mittag. Auf dem Wege dorthin entstanden die ersten beiden unserer nachmals so berühmt gewordenen Knüppel. Die Kühle des Gasthauses umpfing uns. Ein freundlich Wort, ein frohes Gesicht zauberte uns ein sagenhaftes Mittagsmahl auf den Tisch. Sind die alten Märchenzeiten wieder gekommen? Suppe mit Augen, honiggelbe Kartoffeln, Spargel und eine „echte“ Sauce, darin ein überdimensionaler Braten schwamm. Die Augen gingen uns über und das Herz (– vom Mund soll man das löblich nicht sagen –), später auch der Verstand; denn die Wirtin verlangte nur 50 gr. Fleischmarken. Wer wollte uns Menschen von 1946 verargen, dass an diesem Mittagsmahl uns eine weitere, wenn auch vergängliche Freude aufgeblüht war. Nach kurzer Ruhe wandte sich unser Weg nach Westen. In sommerlicher Sonne lag Frauenhecke zur Rechten. Auf der Juhöhe summten einige versteckte Menschenstimmen, Hühnergackern kollerte in die Stille; von Heppenheim her näherte sich eine Menschengruppe. Sonst nichts als viel Welt, viel Stille und unaufhörliches Raunen. Von der Juhöhe an fiel der Weg jäh ins Laudenbachtal. Bevor die ersten Häuser des Dorfes erschienen, huschten wir nochmal an den Rand einer Wiese, breiteten die Decken aus, reckten die Glieder, Phöbus ein Brandopfer zu bringen. Um uns lispelten die Gräser, zirpten die Grillen, in der Luft schrie ein Habicht, und immer dieses dunkle, tiefe Raunen der Welt. Den Schreiber stach endlich die Lust und er hüpfte ins Gras, verbarg sich hinter Hecken und Halmen und konzertete mit Grasblättern zwischen den Daumen. Es dünkte ihn, er könnte wie ein Kobold die vorübergehenden Leute necken. Ob es gelang? Er wusste es nicht. Vielleicht haben sich die Menschen zu sehr an Kobolde gewöhnt. Nach guter Weile brachen wir auf. Aus dem Laudenbacher Kirchlein tönte Musik. Unverwandt lenkten sich unsere Schritte dorthin. Es war aber nur Musik darin und keine Menschen. Weil aber die nahe Natur uns heute einfach und lauter

hat werden lassen, flochten wir unbekümmert unseren Gesang in die auftönenden Marienmaienlieder. Als davon genug getan war, tändelnten wir Blumen suchend über die Höfe zurück, pflückten Maiglöckchen und Sternmieren und streuten unsere letzten Lieder in den sich lichtenden Wald. Im Westen öffnete sich die Ebene. Die Sonne neigte sich mählich zur ihr hinab. Zwischen Gärten und Reben erschienen die ersten Häuser Heppenheims.

Viel Sonne, viel Wärme in den Gliedern, von vielem Grün satte Augen und ein geläutertes, fraglos gewordenes Herz brachten wir vom ersten Wandern heim. Und es ist uns, als streue jetzt im welkenden Herbst noch dieser erste Wander- und Maitag seine Wärme und Blüten und Lieder über uns aus.

Josef Weber

Rosenhöhe - 19. Mai 1946

Sept. 1946 – Es fällt mir auch heute nach 4 Monaten nicht schwer, mir die Wanderfahrt nach Krumbach in Gedächtnis zu rufen. Erst die freudig aufgeregten Vorbereitungen einschließlich telefon. Benachrichtigung der Rosenhöhe zwecks Mittagessen und dazu noch viele Besprechungen bis uns der Sonntag früh auf den Beinen fand. Zu einer Zeit, wo wir sonst noch feste schlafen, schielten wir nach dem Himmel und stellten Wetterprognosen auf „Himmel bedeckt“ aber das soll uns noch nicht beunruhigen.

Um 600 fanden wir uns zum Gottesdienst ein, alle 6 und um ½ 800 starteten wir in Richtung Starkenburg. Mutti widmete uns noch einen wohlgefällige[n] Blick und fand das Aussehen der Garde zünftig. Wir, das Dreimädelhaus in rotbunten Dirndln den Brotbeutel umgehängt, unsere Partner in kurzen Hosen und Windjacken. Von Josefs kurzer Hose, die er übrigens bei Engelbert pumpte, erzählte er uns unterwegs folgendes nette Zwiegespräch mit seiner Tante Kättche. Also abends bringt er die gepumpte Hose nach Hause. Tante Kättche: „Aber die Hose wolle sie doch net aaziehe?“

Das Corpus delicti

Er drauf: „Ha na, warum net?“ Sie: „Sie derfe‘s mer net übelnemme, Josef aber ich maan, des schickt sich doch net fer Sie.“ Mit der Beweisführung, dass sogar ihr wohlbekannte, hochwürdige Herren schon in kurzen Buxen gewandert sind, lässt sie sich ihr Gewissen beruhigen.

So wandern wir also los, das Herz voll Frohsinn und als wir über den Kleinen Markt zur Starkenburg einbiegen, da verziehen sich die Wolken und die helle Sonne strahlt hinter dem Berg auf und übergießt alle rundum mit gleißendem Funkeln, scharf heben sich die Konturen der Odenwaldberge ab. Nun haben wir erst recht Schwung, da es uns vorkommt, als habe der Herrgott extra für uns diese schöne Überraschung mit dem Wetter vorgehabt. Wir wandern also, wir singen und scherzen, wir unterhalten uns und wir trinken die Bilder schöner Landschaft in unsere Augen und Sinne.

Ein Vogel ist aus dem Nest gefallen und flatschert ungeschickt umher, wir bewundern ihn, wir heben ihn auf; man glaubt es sei der erste Vogel, den die Garde sehe. Einstimmig wird er als Kuckuck bestimmt, denn niemand weiß, was es für ein Vogel ist und vom Kuckuck haben wir schon in der Schule gelernt, dass er ein scheuer Vogel ist und kaum mal von einem Menschen gesehen wird.

Karl, Irmgard und ich haben noch keinen zünftigen Knüppel, dagegen Josef, Engelbert und Cläre schon so richtige knochige Dinger in Händen. So verschwindet Karl und wart auf einmal nicht wieder gesehen, bis er nach vielen Rufen zum Kommen: „Kaaarl, Kaaarl!“ wieder auftaucht uns so laut Augenschein, doch nicht vom Wolf gefressen wurde – und was schwingt er in der Hand: 3 Ahornstöcke, in deren Rinde noch die Anfangsbuchstaben ihrer Träger eingeritzt werden.

In einem alten Steinbruch, schon fast nicht mehr als solcher zu erkennen, auf einem umgefallenen Baumstamm lassen wir uns nieder und verzehren unser Frühstücksbrot. Wir wandern durch Schannenbach, Glattbach, Winkel, Schlierbach, lassen Lindenfels links oben liegen und laufen in halber Höhe um den Berg herum, nachdem wir als nächsten Weg, den über den Seehof erfragt haben und landen noch zur Mittagszeit auf der Rosenhöhe in Krumbach. Dort essen wir prima zu Mittag, kalorienreich und nach derzeitigem Sprachgebrauch zu reden und ohne Marken, was das bedeutet, kann nur ein Mensch aus dem Jahre des Heiles 1946 hierzulande ermessen. Auf der Wiese hinter der Rosenhöhe lassen wir uns von der Sonne bescheinen, ab und zu blinzeln wir nach der sonnengleißenden Bergwelt rundum oder drehen uns faul nach der rechten Seite, wo die eifrigen Dorfjungen nicht gerade lautlos dem Fußballspiel obliegen. Ab und zu taucht die kleine Reinhilde, ein etwa 3jähriges Dickerchen, am Rande der Wiese auf und lugt neugierig nach uns, lässt sich aber durch keinen noch so zärtlich flötenden Anrufe dazu bringen, näher heranzukommen. Nach dem Kaffeetrinken nehmen wir die ganze Breitseite der Landstraße ein und marschieren nach Fürth. Dort bimmelt auch bald das Bähnle heran. Wir finden nun auf den gastlichen Holzbänken des Odenwaldexpress. Wir singen unterwegs aus Leibeskräften, es schadet ja nichts im Odenwaldzügle, außerdem legen wir unsere ganze Begeisterung herein und etwaige verrutschte Tönchen merkt man bei dem Rumpeln garnicht so. Engelbert war die ganze Woche noch heiser. Zwischen Birkenau und Weinheim sind bekannterweise viele Tunnels. Engelbert sprach übrigens andauernd, solange es dunkel war, warum er das so betonte, weiß natürlich niemand.

In Weinheim steigen wir nun in einen alten D-Zugwagen ohne Bänke, wir stellten uns im Kreis auf und sangen weiter. Kreuzfidel landeten wir um ½ 2000 zu Hause und feierten nach dem Nachtessen noch Cläres Geburtstag, denn es war ja 19. Mai 1946.

Käte

Mörlenbach

Pfingsten ist seit alters her ein recht beliebter Tag für Wandertouren per Auto, Motorrad, Fahrrad oder auch ganz bescheiden per Pedes! Wie hätten wir als begeisterter Wanderklub diesen Tag vorübergehen lassen können ohne nicht wenigstens eine ganz kleine Fahrt zu unternehmen. So ging denn unser Planen und Sinnen dieses Mal nach Mörlenbach. Um 600 fanden wir uns gemeinschaftlich im Gottesdienst. Um kurz nach 800 war allgemeines Aufbrechen der Teilnehmer. Die „Herrn“ Josef und Engelbert in zünftigen kurzen Hosen. Wir, Mädels Käte, Kläre und Irmgard in bunt-leuchtenden Dirndeln. Den Wanderknüppel fest bei Hand so zogen wir los. Doch kaum hatten wir das Haus Walther-Rathenau-Str. 19 (Eingeweihten u. Freunden des Klubs gut bekannt) hinter uns gebracht, da oh weh, es fängt unheilvoll an zu träufeln, langsam und stetig. Was sollten wir tun? Umdrehen oder Weitermarschieren? Nur ein kurzes Überlegen war notwendig. Weiter hieß die Parole. Wie es anfing, muss es auch mal wieder aufhören. Und da, es hörte auch bald auf zu regnen. Doch auch nur um dann um so plötzlicher und gewalttätiger von Neuem aber nun zu schütten. Gerade bis zur Heil- und Pflegeanstalt kam unser tröpfn-

des Häuflein. Nun pirschten wir jede Deckung wahrnehmend an der Mauer entlang.

Doch auch schon am Laudenbacher Tor mussten wir uns in eine Toreinfahrt unterstellen. Gar zu gewaltig stürzten die Wasser aus der Höhe. Doch ungebrochen waren wir weiter frohen Muts und hofften auf besseres Wetter. Als es etwas aufhörte zu regnen, zogen wir weiter. Doch schon im Gasthaus zum „Kühlen Grunde“ mussten wir „Frühstückspause“ einlegen. Erst standen wir lange auf dem Tanzboden. Drohten, beschworen den Himmel um ein Einsehen. Als alles nichts fruchtete entschlossen wir uns dann zu einem Morgenschoppen. Mochte das Brot und das Bier auch noch so fein schmecken. Die Lieder im durchstöp(b)erten Tanzalbum zu anderer Zeit auch noch so unterhaltsam und nett gewesen sein, heute stand unser Sinn nicht danach, wir wollten ja noch nach Mörlenbach. Und nun schien es als sollte unsere so froh begonnene Fahrt doch noch am Unwillen des Wetters zerbrechen. Um 1030 entschlossen wir uns dann zum Heimweg. „Es hat jedoch kein Zweck. Anscheinend will es gar nicht besser werden.“ Drum in den sauren Apfel gebissen und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Es hat nicht sollen sein. -

So lenkten wir unseren Schritt Heppenheim zu. Doch kaum 3 Schritte weit, da ganz lautlos und zu aller Verblüffung standen wir plötzlich wieder in Fahrtrichtung Erbach, denn al-

le hatten die Sonne aus dem Gewölk hervorbrechen sehen. Das hat genügt um unser geschworene Bande einhellig umzustimmen. "Wollen wir?" „Klar, das ist doch schon gleich einem Fingerzeit.“ So zogen wir doch noch los nach Mörlenbach. Das es unterwegs kaum 2 km vor unserem Fahrtenziel nochmals regnete und gar nicht so wenig, das konnte unserer guten Laune nun keinen Abbruch mehr tun. Auch, dass wir pudelnass in Mörlenbach einkehrten, das konnte nichts mehr schaden. Denn bei Sonnenschein zu wandern, das kann jeder. Aber wir, Regen, Schnee und Sturmgebraus hielten uns länger nicht mehr auf. Wir hattens gewagt. Nun waren wir geeicht. Aber auch unser Heßlein hatte ihre Probe ausgezeichnet bestanden. Nicht nur, dass sie an unser Kommen fest glaubte, sie war uns sogar ein Stück mit Regenschirm bewaffnet (wir hatten ja dafür unsere Knüppel mit) entgegengegangen. Getroffen hatten wir uns ja nicht, da es ja durch den Regen bei uns viel später geworden war. Doch trotzdem, sie hat es bewiesen, sie ist Geist von unserem Geiste. In der Bahnhofswirtschaft ging es nachdem wir uns in etwa wieder in menschenähnliche Zivilisierte verwandelt hatten im eiligen Gang. Dort gab es ein gutes Mittagessen freundlich serviert. Und nun rückten wir Mutter Heß nochmals auf die Bude, Verzeihung guter Stube. Wir tranken Wein, lachten, scherzten und brachten wie Cläre und ich glauben auch sagen zu können schönen Frohsinn ins neue Heßenheim! Zu unseren mitgebrachten Broten u. Kuchen spendierte Frau Heß gerne den Kaffee mit Milch und voller Freude. Die Sonne leuchtete u. strahlte nur so vom Himmel. Sie wollte doch auch noch helfen den Tag schön zu gestalten. Gerade lange es noch zu einem

kleinen Bummel in Mörlenbach und auf der Landstraße nach Zotzenbach zu. Wir wollten singen. Wir strengten uns an und gaben unser Bestes! Doch was behaupteten böse Zungen, es will mir gar nicht in die Feder „Rabengekrächze“, mir bricht es fast das Herz. Man ging in langer Kette, man hüpfte über die Straße voll schäumenden Übermuts war die ganze Garde. Auf dem Heimweg wünschten wir der „Finkentante“ schnell noch einen „guten Tag“. Ließen uns eine Ringelwurst versprechen. Ich möchte daran erinnern, dass das Versprechen noch nicht eingelöst wurde. Nun noch einen kurzen Blick in die Kirche, ein kleines Lied auf der Orgel von Josef gespielt, ertönt Abschied von Mutter Heß und Oma Schepp! Denn so schnell war es Zeit zum Bahnhof zu gehen. Wir gingen alle, denn Maria musste ja wieder zurück zum Dienst nach Mainz. Mit Herzen voll Sonne und Frohsinn so kommen wir in Heppenheim an.  Und das war unser

PFINGSTAUFLUG.

Irmgard

Heidelberg - 14.7.1946!

½ 6 in der Frühe. Die Sonne kitzelt einigen müden Schläfern ganz vergnügt in das Gesicht und erinnert sie daran, dass heute die lang geplante Tour nach Heidelberg steigt. Habt ihr sie aus den Betten steigen sehen? Nach gemeinschaftlichem Gottesdienste machen sich die Knüppelgardianer Irmgard, Engelbert und Cläre mit einem zünftigen Wanderstabe bewaffnet auf den Weg zur Bahn. Schwesterlein Käte schaut ihnen betrübt nach, denn eine Halsentzündung fesselt sie ans Bett. Mit viel Scherzen beginnt die Fahrt. Doch was haben denn die 3 Gesellen in Weinheim vor? Es ist doch noch nicht das Ziel? Man hört die Frage: „Wo wird sie stehen?“ Und nun beginnt gar ein kleiner Disput: „Unter der Uhr hat sie gesagt u. dabei ist doch gar keine mehr da!“ Wer mag Recht haben? --- W – e – i – n – h – e – i – m! --- Und da: „Da ist doch ne Uhr!“ „Hallo - - - Maria!“ Also wird jemand dazu kommen! Unser Hesslein erscheint auf der Bildfläche. Armer Engelbert, 3 Mädchen – 1 Mann! Es wird sicher ein schöner Tag werden. Die Fahrt geht weiter der Bergstraße entlang und bald ist das Ziel Heidelberg erreicht. Doch was mag die Garde jetzt beginnen?! Man steckt die Köpfe zusammen u. kichert man sucht den Bahnsteig ab und plötzlich ein Gejuchze. Was dies zu bedeuten hat? Ob es mit dem jungen Mann in der gelben Weste zusammenhängt? Doch man hat doch schon mehr Männer mit dunkler Hose u. heller Jacke gesehen, also kein ungewohntes Bild! Und dann strecken sich 4 Paar Hände dem jungen Mann mit großer Herzlichkeit entgegen. Josef hat das Klüblein vervollständigt; nun kann der Tag in Heidelberg beginnen. Man schlängelt sich durch den regen Betrieb am Bahnhof Heidelberg und sucht wie alles andere, Elektrische, Autos u. OEG – sein Weg durch das Getriebe und plötzlich liegt der Neckar vor ihnen. Da es leider zu einer Kahnfahrt nicht kommt geht die Knüppelgarde auf Engelberts Studentenbude. Nachdem man mit neugieren Augen das Zimmerlein betrachtet hat, sucht sich

jeder ein schönes Plätzlein u. spekuliert selbstverständlich auf einen Platz auf dem alten, roten Plüschsofa. Endlich konnte das Frühstück beginnen und als ob man noch keinen Kaffee genossen, beginnt eine ausgedehnte Schmauserei, wozu Engelberts Zimmerfrau gütiger Weise den Kaffee stiftete. (Engelbert behauptet natürlich, dass er Frau Sommer damit beauftragte!) Danach beginnt ein kleiner Bummel durch Heidelberg. Den Neckar entlang geht es an der Mensa vorbei zur zerstörten Heidelberger Brücke, um im „Hecht“ ein gutes Mittagessen zu bestellen. Man bewundert die Handmalereien an den Wänden, die von viel Frohsinn des Erbauers künden, denn Wein, Weib u. Gesang sind das Fundament, man amüsiert sich über die kleine Künstlerstube, die mit ihren alten Gästen Goethe, Jean Paul und andere „strunzt“ und erfreut sich eines guten Mittagessens, hat man doch den anderen Gästen die 5 auftreibbaren Schnitzel weggeschnappt. Engelbert als Hungrigster bestellt gleich 2 Essen! Danach beginnt der schönste Teil des Tages. Man entschließt sich zu einer Auffahrt auf den Königsstuhl. Mit der Drahtseilbahn geht es zum Schloß u. von hier weiter zur Molkenkur, doch da man die Bahn nicht kannte und aus Höflichkeit noch Leute vorlässt, fährt die Anschlussbahn vor der Nase weg! Pech gehabt! Manches Scherzwort erfreut die lieben Leidesgenossen, die nun auch auf die nächste Bahn warten. Und dann kommt der Königsstuhl! Die Auffahrt ist Herrlich. Immer tiefer liegt Heidelberg, ein Bild der Ruhe und des Friedens unter uns. Man bewundert die Villen, man orientiert sich über die Anlage der Uni – hier Physikalisches Institut, - hier medizinisches – hier das Institut für Chemiker – hier die Sportanlagen u. s. w., man besieht sich die Brücken Heidelbergs, man sucht das Kloster Neuburg u. immer wieder erschließt sich ein neues Bild. Leider ist der Aussichtsturm nicht ersteigbar, da er als Sendeturm ausgebaut ist, obwohl Josef es unbedingt mit einem besonders schlauen Gedanken erzwingen wollte: Man entschließt sich zum Abstieg um irgendwo in Heidelberg ganz gemütlich Kaffee zu trinken. Arm in Arm schreitet man den Berg hinab, mit herzergreifendem Gesang begleitet - - - bis - - - ja bis Engelbert u. Irmel Himbeerhecken entdeckten. Ein herzhaftes Schmausen begann – man fraß sich buchstäblich bis zum Schloße durch (es ging nämlich ohne Macken!!!)

Hier bewunderte man wieder den alten Bau, suchte im Gedächtnis etwas über die Geschichte des Schloßes nach u. entschloss sich endlich, sich einer Besichtigung anzuschließen. Ein Stücklein altes Deutschland, alte Heimat, wurde aus seiner Vergangenheit geholt. So verließ man auch diese Stätte, nachdem man nochmals die Sonne auf sich ruhen ließ, nachdem man einen letzten Blick auf das am Neckar liegende Heidelberg warf. Man wollte sich nun den Kaffeehunger stillen,.Doch oh Jammer, fast alle Hotels von Amis beschlagnamt, das eine Café, welches auf war, überfüllt u. die restlichen Gaststätten öffneten erst ab ½ 6 Uhr. Man ging wieder in die untere Neckarstraße 8. Wie schnell verfloss auch diese Zeit und man eilte zur Bahn. Husch - husch ging es in das schöne Heppenheim zurück. Maria verließ in Weinheim die frohe Garde mit der Versicherung bald wieder in diesen Reihen zu sein und verfolgte die Bande noch bis nach Hause, (mit ihren Gedanken!) In Heppenheim begrüßte diese einen tüchtigen Regenschauer, doch man war ja von der Mörlenbachtour schon Wassergeprüft und für was hat man Kavaliere? Engelbert u. Josef eilten, um die Schirme zu holen doch bis sie kamen war man schon im Häuschen Hammerruh!

Cläre

Engelberts Geburtstag

Am Sonntagabend, den 15. Sept. wurde in der Villa „Hammerruh“ Engelberts Geburtstag feierlich begangen. Unter dem herbstlich bunten Dahlienstraß von Josef für seinen Kommilitonen von Tante Kättche erbeten, lagen Zigarren, Zigaretten, Streichhölzer, Aschenbecher, Trauben, Dibionta, Trachitol, Kunstbrief. Auf dem festlich gedeckten Tisch lockten lukullische Genüsse wie belegte Brötchen, schwarzer Tee, Weincreme u. Wein zum Festtagsschmaus ein. Es blieb nicht übrig. Zum Vortrag gelangte ein Bruchstück aus der „Neuen Oper“ und eine Arie aus der neuen Oper „Nirvana“, letzte vorgetragen von Josef.

Bruchstück aus der Neuen Oper

Catharina, langes blaues Gewand, weißer Schleier tritt herein, Engelberto ihr gegenüber.

Catharina spricht:

Wie glänzt so golden die Sonne hinter dem Berge heute

und füllt das Herz mit Wonne an diesem Tag der Freude.

O Engelberto, an diesem Septembersonntag

dein 25. Lebensjahr beginnen mag!

Zwar den hohen Göttern zählen nicht viel 25 Jahr,

doch uns sterblichen Menschen dünken sie wichtig gar.

Wie schnell flieht dahin unsere kurz bemessene Zeit

benutze sie klug abwägend in Ein- und Zweisamkeit.

Es erscheint mir gerade noch wie gestern,

als du mit mir und meinen Schwestern

spieltest als Knappe im lockigen Haar,

und ist doch vergangen so manches Jahr.

Vor Irmgard, der lieblichen, zarten Maid

in braunen Zöpfen und Hängerkleid

flohst du, als sie sich der wilden Knaben erwehrte

und trotzdem deine Gespielin zu sein begehrte.

Doch es spinnen dich Schicksalsfäden die Nornen unter dem Baum,

Und es sprosste noch nicht auf den Wangen dir der Flaum,

als Adolfs mit seiner Horde uns in ein fernes Land verstieß, so weit,

wir hörten nicht von dir für lange, lange Zeit.

Doch es straften den Unglücksseligen die Götter,

den Verderber, der sich pries als der Erretter.

Sie stießen ihn hinab in die Unterwelt,

mit denen, die sich ihm jubelnd zugesellt.

Uns winkte die Heimkehr, wir kehrten zurück

und fanden dich wieder zu unserem Glück.

Dich Engelberto als Jüngling nun,

entwachsen jetzt den Kinderschuhn.

Zwar schwankend noch zwischen Nirwana und Tatendrang,

dir noch nicht das „Arcanim“ zu finden gelang,

das du in brodelnder Hexenküche suchst begeistert,

wie einer der es doch noch meistert.

Seh‘ ich dich von brodelndem Nebel umwallt

in Rot aufleuchtender Glut, während es zischt und knallt

so däucht Charybdis mir ein lieblicher Tor

gegen das Treiben da in deinem Labor

und Scylla gar eine liebliche Maid voller Spaß

gegen die Acida in deinem Erlenmeyer aus Glas.

Doch, dass er männlich sich der Gefahr entgegenstellt,

das macht den Mann und auch den Held.

Möge Hermes dir mit Rat und Tat zur Seite stehen

und dich am Ende als Sieger sehen.

Lass niemals dir den Blick verwirren,

es können Kleine und auch Große irren.

Wirf das Lot beschwert in deines Herzens Tiefe,

dass senkrecht es falle, ohne Schiefe.

Dies sei Richtschnur deines Handelns allein

und nicht der Menschen Zänkereien.

Liebe die Weite mit Bergen, Meeren und Hügeln

und lasse dir von zwei blauen Augen alle Liebe der Welt widerspiegeln.

Käte K.

Fragment aus der Oper „Nirwana“

Geister spotten

Herzen locken,

voll ist die Welt trügerischen Scheins.

Mauern brechen,

Weise sprechen,

nicht in der Welt ist absolutes Sein –

wonach soll mein Herz noch streben,

nichts erfreuet mehr mein Leben,

ach, könnt ich schweben in reinstes Erleben,

dorthin, wo nichts mehr ist,

dort, wo man nichts mehr misst

ins reine Nichts.

Bemerkung: Hier bricht das Fragment ab. (Josef)

Tromm

Wir schreiben den 28. September, ein Sonntag wie jeder andere, nur dass unserer ein besonderer Tag für die Knüppelgarde, denn schon seit vielen Wochen war das Ziel gesetzt: „Auf zur Tromm!“

Endlich war es soweit. Eine Gemeinschaftsmesse um 6 Uhr eröffnete das Tagesprogramm. Um 7 Uhr sollte der Zug in Richtung Weinheim abfahren. Durch das alberne Gestoße unserer Knüppel konnten wir ein „teilnahmsvolles Lächeln“ der wartenden Reisenden auf Bahnsteig II hervorrufen. Leider fiel der weibliche Teil der Knüppelgarde unangenehm auf. Man hatte nämlich die Kalorienurkunden vergessen (gemeint sind hier die Lebensmittelmarken). Aber das Anrollen des Zuges ließ diese Missstimmung bald sinken.

In Mörlenbach unterbrachen wir die Fahrt zum Empfang der noch fehlenden "Knüppelgardistin“ Maria Heß. Nach herzlicher Begrüßung und Vorstellung der „Neulinge“ war auch schon der Anschlusszug in Richtung Zotzenbach da. Daselbst war der Ausgangspunkt unserer Wanderung. Singend und jodelnd zogen wir in breiter Front gegen die Ortschaft Zotzenbach und erblickten voller Freude unser Traumziel vor uns. Nach ½-stündigem Marsch hatten wir den Ortsausgang erreicht und schlugen einen Feldweg ein, auf dem uns das Glücksschweinchen begegnete, denn wir hatten ja Glück mit dem Wetter. Die ganze Woche zuvor hatte es geregnet und gerade jetzt hörte der Talnebel auf und die Sonne beleuchtete goldgelb unser heutiges Wanderziel: „die Tromm“; Nun nahm uns der kühle Wald auf und der Weg wurde immer steiler. In der Nähe einer kleinen Hütte im Volksmund das „Wilde Leut Häusel“ genannt nahmen wir einen kleinen Imbiss ein und nicht weit davon etwas oberhalb in einer romantischen Felsgegend ließen wir den Photographen zu Werk kommen.

Nun strebten wir weiter unserem Ziel entgegen. Mühsam und endlos war der Aufstieg, aber angenehm waren wir überrascht, als wir zu unerwartet hinter einer hohen Felswand den Ireneturm erblickten. Jetzt setzte der Endspurt ein.

So nun war es geschafft. Während die Clubleitung ihre Geschäfte erledigte, hatten wir ausgiebig Gelegenheit uns von den Anstrengungen des Aufstiegs zu erholen. Bald war der Schlüssel zum Turm vorhanden und ein junger Trommbewohner erklärte uns die einzelnen Sehenswürdigkeiten, die uns der Odenwald von hier aus bietet.

Bald war aber die Zeit zum Aufbrechen gekommen. Das nächsten Wanderziel unserer Garde, das wir nach halbstündigem Waldmarsch singend und jubelierend erreichten. Hier trennten wir uns, um an verschiedenen ausgemachten Plätzen das Mittagsmahl einzunehmen. Anschließend fand im Gasthaus zur Jägersfreude eine Mitgliederversammlung statt der die Wahl des Herrn Präsidenten Joseph Weber folgte. Außerdem fand noch die Ausgabe der neuen Ausweise statt.

Nun war es aber Zeit für den Heimweg geworden. Von Gaderner Lehrer begleitet erreichten wird bald das Gebiet des „Rudi-Wünzer-Turm“; von hier aus wanderten wir talabwärts über Weiher Mörlenbach entgegen, wo wir von Familie Heß zum Kaffee eingeladen etwa 2 Stunden verbrachten. Unter Gesang und Jubel gelangten wir gegen 1930 an unser Ausgangsziel der Wanderung: Heppenheim! und nahmen herzlichen Abschied von Maria Heß. So ging ein schöner Sonntag ein Wandertag der Knüppelgarde zuende, an den wir uns jederzeit gerne zurückerinnern werden.

Nachtrag: Die auf der Trommfahrt am 22.9.46 im Gasthaus „Zur Jägerlust“ stattgefundene PRÄSIDENTENWAHL - gemäß Statute § 5 a - zeigte folgendes Ergebnis:

1. Kandidat Josef Weber                         Stimmen: 3

2.  Kandidat Engelbert Hillenbrand       :                             4

3. Kandidat Werner Hillenbrand                                           -

Somit hatte Engelbert den Wahlsieg errungen. Erklärte sich jedoch für die nächste Zeit als beruflich überlastet und bot den Vorsitz an Josef, der die Präsidentschaft annahm. Einwendungen der Mitgliederschaft wurden nicht erhoben.

Der Wahlausschuß:

Irmgard Kalisch

Engelbert Hillenbrand

Schriftführer

Josefs Geburtstag

Dass Josefs Geburtstag besonders feierlich begangen werden sollte, stand für die Garde fest. Und abends, am Festsonntag, den 6.Oktober rollte das aufgestellte Programm ab. Als Gäste waren da Elsbeth, Werner, Engelbert, Cläre, Irmgard, Käte, als Glanzstück das Geburtstagskind Josef und als Ehrengäste fungierten die Eltern Kalisch. Es geschah also an jenem Abend, dass plötzlich alle aus dem Zimmer verschwanden und Josef allein ließen mit Engelbert, der nun ein paar noch nie gehörte Takte auf dem Klavier spielte und siehe da es öffnete sich die Türe wieder und herein traten die Entschwundenen in Wandertracht mit Kopftüchern und dem vielbesungenen Knüppel. Es erklang zum 1. Mal in der Öffentlichkeit das „Wanderlied der Knüppelgarde“, das Engelbert extra zu Josefs Geburtstag gedichtet und komponiert hatte. Als die letzte Strophe verklungen war, ergab es sich,

dass in dem schweren Rucksack, den Werner schleppte, so allerlei herauszuangeln war, und jeder brachte seinem Glückwunsch bei Josef an und drückte etwas in dessen Hände, sodass es diesem redegewandten Präsidenten die Sprache verschlug. Rauchwaren, dazu Etui und Ascher, Lektüre, Blumen und Foto, alles das hatte man herbeigezaubert, so kann man in Anbetracht der heutigen Verhältnisse wohl sagen. Anschließend trug Käte das 2. Bruchstück der „Neuen Oper“ vor. Dann tauchte der Clou des Abends auf. Das Buch der Knüppelgarde wurde seinen Mitgliedern zugänglich gemacht und fand ungeteilten Beifall. Josef fand langsam seine Sprache wieder und redete eine Rede im Verlauf derer er Elsbeth auch ihren Ausweis aushändigte. Eine lustige Spruchkammersitzung entließ Elsbeth gnädigst als brauchbare Mitläuferin. Ein Abend, der durch Harmonie und Frohsinn uns alle erfreute ging gegen ½ 100 zu Ende.

2. Bruchstück aus der „Neuen Oper“

Catharina allein:

Er ist noch nicht da, er Don Josefo, den ich mein‘,
doch still, er kommt noch, nie ließ er sonntags uns allein.
Erscheinet die Welt doch leer und alle Freude vergällt,

wenn sein frohes Lachen und klingen fehlt.

Mein Auge schweift die Straßen auf und ab, sehe ihn noch immer nicht,

doch mein Herz fühlt, er wird kommen noch bei Tageslicht,

Don Josefo, die Zierde der Sophisten und Philosophen

der liebet litteras, Kalories und fornacem, sen Ofen.

Wie schreitet er gemessenen Schrittes unter den Weisen und Alten

und weiß in ihre Reden sich klug einzuschalten.

Oh, ist durch die Welt schon so ein homo sapiens geschritten!

Viele Jahre sind an mir vorbeigeglitten

doch keines wehte eine größere Fülle mir zu

als dieses letzte in Schloß Hammersruh.

Lange waren wir fern der Burg unserer Väter,

da verdarb Adolfo, des Volkes Verräter.

Auf unserer Burg wir fanden uns wieder ein

und Don Josefo ward ein gern gesehen Gast daheim.

Auch er hat als Kriegsheld lange Jahre fern der Heimat zugebracht,

doch jetzt müde kriegerischen Ruhms, hat er sich gedacht,

sein Lebenswerk philosophischer zu beenden

und seinen Sinn schönen und hohen Dingen zuzuwenden.

Er ist in unseren Sälen und Kemenaten zu schauen,

seine Zeit verwendet den hohen Frauen.

Besonders scheinet eine seiner Minne wert,

deren Gesellschaft er gern begehrt.

Doch über Irmgardis die Maid voller Tugend

zu sprechen, verbietet sich bei meiner Verwandtschaft und Jugend.

Leichten Fußes möge er über die Erde wandeln

und selbstverständlich nur rechtens handeln.

Wir sind nicht viel und suchen mehr

dahin geht unser Fragen, Grübeln und Begehr,

möge Don Josefs den Gral finden am Ziele des Lebens,

dann war dieses nicht vergebens –

doch still – er kommt!

Käte

Katzen-Buckel - 13. Okt.

„Und ob die Wolke sie verhülle, die Sonne bleibt am Himmel steh’n“.
Ihr Kern ist lauter Lichtes fülle, ein lichter Kern kann nie vergehen.
Oh strebe, Herz mit deinen Trachten nur solche Lust und Freuden an,
Die keine Wolke ganz umnachten, kein Zufall ganz da trüben kann.
Das Licht sei alle deine Wonne, dein ganzer Kern sei lichterfüllt:
Dann bist du selbst wie eine Sonne, die kein Gewölk mehr lang verhüllt!“

Es war an einem schönen Mittwoch-Nachmittag, als mich ein Brief aus Heidelberg erreichte, der die Schriftzüge meines Freundes Engelbert trug und der den 24. Sept. 46 als Datumsangabe zum Vorboten kommender großer Erlebnisse bestellte. Nanu – dachte ich, was will der denn schon wieder von mir, der hat mir doch erst vor – 6 Wochen (man wiederhole: 6 Wochen!) einen Besuch abgestattet – der will doch nicht etwa?? – Naja, also zuerst mal eiserne Ruhe (Selbstgespräch) und dann eine tiefe Kniebeuge, tief Luft geholt und dann …  ja dann den Brief geöffnet!! (Los, mach schon!) Da! Ich lese – sehe genauer hin, lese nochmals, und als ich begriffen, bin ich starr vor Staunen! Also eine Fahrt, d.h. eine Wanderung auf den Katzenbuckel schlägt mir der gute Engelbert vor – und sogar noch in Gesellschaft einer mit ihm sympathisierenden Wandergruppe („bestehend aus vielen jungen, hübschen Damen,“ wörtliche Zitation aus Engelberts Brief! Die Schriftleitung!) – hm, hm – passe ich überhaupt dazu – ich meine, ist meine Persönlichkeit wirklich so überzeugend, dass ich meine Wissenslücke verbergen und verschleiern kann? Egal – Ich fahre mit, sei es wie es wolle – mein Freund hat gerufen, also kann Oskar nicht mit einer Absage kommen. Aber haaaalt! – Die große, zweite Frage, darf mein Mädel auch mit? Hoho, das wäre gelacht, gleich ran an die Ausführung und die Genehmigung eingehalt!

Tat I – Brief an Freund Engelbert mit der Ankündigung meines Mitmarschierens, sowie des Mitkommens einer jüngeren Dame.

Tat II – Anfrage bei der Mutter der betr. jungen Dame (die daselbst in Obrigheim wohnhaft und mit dem Namen Annele Knapp getauft und bedacht wurde!) ob eventuell … usw. – und schließlich offizielle Bitte an Mutter Knapp um Genehmigung des Mitwanderns der von mir (frohen Herzens) erwarteten Tochter! Aber so leicht ließ sich Mutter Knapp das Ja nicht abringen, denn nur ein „Vielleicht“ war

der Erfolg meines mündlichen Vorstosses. Und dennoch war das „Vielleicht“ etwas Schönes für mich, denn in mir blühte die Hoffnung und der ehrliche Glauben an das kommende Ja! – Aber nun wieder husch zu unserem Programm! Also, am 13. Okt. 1946 sollte das sein? Treffpunkt Eberbach? Was macht das Wetter? – Ha – Sofortige Ausführung eines inneren Befehls – Brief an Freund Engelbert mit dem Vorschlag: Treffpunkt Zwingenberg, Verhandlung über Essensfrage und Anfrage: bei welchem Wetter wird, bzw. wird nicht gewandert? Freund Engelbert schreibt zurück: technische Schwierigkeiten setzen einen Treffpunkt in Eberbach voraus, gewandert wird bei jedem Wetter (alle Achtung!) und Essensfrage ist so leicht, denn es wird wohl abgekocht! Gut, der Engelbert, recht so, ich bin endgültig geschlagen, erkläre mich mit allem einverstanden und schreibe sofort zurück: „In Ordnung, wir kommen! Um 0800 h am 13.X. sind wir in Eberbach!“ Und so kam es, wie es kommen musste, wie versprochen so getan. Es kam der 13. Okt. 46, ein Schicksalstag in unserem Wanderleben, ein Abschiednehmen unserer Wanderherzen von der herrlichen Natur! Oh, schöner 13. Okt., mit Recht kann man Dir das Loblied singen: „So schön wie heut, so müsst es bleiben …“, ja, so wie Du uns nochmals geschenkt, was an Herrlichkeiten du uns zu bieten vermochtest, so werden wir Dich verehren, als den herrlichsten Gläubiger der reifen Jugend! Gebe Gott uns immer einen 13. Okt. Sonntag! – Doch hört nun die Geschichte des 13. Okt., die Geschichte eines Wandererlebnisses.

„Oskar! Aufstehen! Es ist Zeit!“ Mit diesen Worten entreisst mich meines Mutters Ruf aus dem himmlischen Schwelgen in süssen Träumen! Oh ja, es ist Zeit, schon 0600 h, da muss ich raus! Schnell runter, den Wasserhahn, das Rasiermesser in der Hand und dem Bart zu Leibe! So, das wäre geschafft, jetzt hinein in die Wanderklamotten (Ha, elender Schuh, du willst wohl nicht?) da: Sie da, sie da Timotheus, der Kaffee steht schon bereit und sogar Kuchen ist griffbereit hingelegt! (Oh, Mütterlein, was bist Du für ein Goldengel!) Also da kann ich nicht widerstehen, deshalb ran! Doch seht, es ist schon 0700 h, Kinder, Kinder, da muss ich ja los! Allons, kamon, Boy sschneller, ssschneller!!! Am Bahnhof natürlich Erkenntnis: Du hättest nicht so rennen brauchen! Naja, schadet nichts – es war eben Frühsport im Nebel! Denn Nebel hatte es, und wie, und kalt war es, Kinder, Kinder, aber wie sang man vor einiger Zeit noch im Radio: „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern!“ Ja, ich glaube, bei noch so viel natürlicher Skepsis bin ich großer Optimist, denn ich glaube an die sieghafte Sonne, deren Strahlen bestimmt sich durch dieses Dunkle hindurchkämpfen werden, sieghaft alles überstrahlend! Da – horch, der Zug kommt, der Zug, der mich hineinführt in den großen Wandertag! Der Zug hält, übliches Gedränge, übliches Türenschlagen und übliches Rufen der Schaffner: „Abfahrt!“ Es ist 0740 h. Bei der nächsten Station hält er wieder. Es ist Neckarelz. Ich

springe raus – und da kommt auch schon Frl. Annele auf mich zu, Begrüßung (Das Wie geht niemand was an!) einsteigen und abfahren war eins! Mein Herz aber war glücklich, denn das „Vielleicht“ einer Mutter ward ein „Ja“ geworden und das sagte mir viel, sehr viel! Binau, N[eckar]gerach, Zwingenberg, rauschten vorüber und schon tauchte Eberbach auf! Es war mittlerweile 0830 h geworden, die Sonne (hurra!) hatte sich wirklich durchgedrückt und liess schon einen herrlichen Tag erahnen! Eberbach! Raus! Hand in Hand geht’s zum Bahnhofsausgang, und sieh da, sieh da, Annele, dort der Dunkle, Mittelgroße, Ja, das ist er, mein Freund Engelbert! Ja, und neben ihm zwei andere, die ich noch nicht kannte, ich vermute: zwei der erwarteten Mitwanderer! Da – wir sind bei ihnen – frohe Begrüßung, Hände schütteln, Vorstellung – Namen werden genannt, aber ich behalte sie nicht, das heißt den einen Zunamen weiß ich noch, denn es ist der Name meines Freundes, der Träger dessen jüngerer Bruder! Den anderen, naja, wir werden ja sehen …  zuerst mal gleich die Frage von mir: „Wo sind die anderen, wann kommen sie, und wann ist Kirche?“ Die Antwort gibt mir Engelbert, der sagt: „Die letzte Partie kommt noch, gleich um 0850 h, und Kirche ist um 0930 h!“ Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass wir noch 40 Minuten Zeit bis zur Messe haben! Wir unterhalten uns prächtig, und selbst mein Annele beginnt zu ahnen, dass es bestimmt eine herrliche Wanderung gibt! „Ja, aber sowas, der Zug hat bestimmt Verspätung, denn es ist schon 0910 h“ (Wir merken aber auch alles!) Nun, wir treffen ein Abkommen miteinander mit folgendem Inhalt: der Josef (das ist derjenige, der hauptamtlich als Wanderpräsident eingesetzt ist) bleibt am Bahnhof und wartet noch auf die Kommenden, wir, d.h. das „Gros der Frühe“ wandert in die Kirche und kommt dort seiner Sonntagspflicht nach. Wir erleben auch in der Kirche eine kleine, freudige Überraschung, denn ein Hochamt mit Erntedankfeier und feierliche Einführung einer neuen Singmesse lassen unsere Herzen voll Ergriffenheit vor der Allmacht Gottes erbeben! Aber bald ist auch diese köstliche Nahrung unserer Seele vorübergeschwebt, und draußen vor dem hinteren Kirchenportal trifft sich die ganze Wandergesellschaft! Nach dem üblichen Vorstellungsdilemma (Namen habe ich wieder keine behalten!) ist militärische Musterung des „Häufleins“ durch den zuständigen Beauftragten: Freund Engelbert! Es wird ein Exempel statuiert, das das lautet: wir sind 10 Personen, Männlein wie Weiblein und haben uns dem Disziplinarverfahren zu unterziehen, wenn eine Wanderregel gebrochen wird! Holla und nun alles ran es geht los, zum Marsch auf den Katzenbuckel! Eine ansehnliche Gesellschaft, lauter frohe, hübsche Gesichter und Gestalten, und ein großes kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl ist zu bemerken, ein offenes Begegnen froher Menschwünsche! Annele und

ich sind jetzt schon innerlich begeistert und sehr überrascht einen solchen momentanen herzlichen Empfang und eine solche edle Aufnahme zu erhalten! Und dankbaren Herzens wollten wir zwei mal den Abschluss des Trupps bilden, als man meine Zurückhaltung erkannte und uns nun ins Kreuzfeuer des Interesses aller gestellt sahen. Wir glaubten, uns nur demselben wieder entziehen zu können, indem wir uns leise, leise nach hinten durchmogelten. Aber da kam die blonde Käthe zu uns, und schon waren wir wieder dem Kreuzfeuer ausgeliefert. Aber es war gar nicht so schlimm, denn alles geschah aus einer ehrlich gemeinten, treuen Freundschaft heraus, und von diesem Zeitpunkt der Erkenntnis an, fühlten wir uns auf Gedeih und Verderb verbunden mit der großen, schon bestehenden Wanderkameradschaft! Wir waren aufgegangen im kleinen Kreis der treuen Freundschaft! Und während des Aufstiegs zum waldbestandenen Haupt des Katzenbuckels hatten wir Muse unseren neuen Freundeskreis ein wenig besser zu studieren! Da war vor allen Dingen unser Freund Josef zu nennen, der ein sehr zurückhaltender Präsident ist, denn er tritt nur in Erscheinung, wenn eine kritische Lage es erfordert, oder aber, wenn es gilt, Gedichte, den in der Ferne weilenden „Wandervögel“ zu senden und zu schenken. Er ist neben unserem Engelbert die Seele der „Wandergesellschaft“ und sein Humor, sein sprühender Geist ist nie zu schlagen. Immer steht er als führendes Glied in der Kette der Wandergemeinschaft! Da – gerade beginnt er ein Lied zu summen, aber es ist schwer verständlich, denn seine Dame, genannt im Taufschein: Irmgard, hat ihm gerade mit einem Wortschwall überfallen, und es soll für mich ein Grund mehr sein, auch der Irmgard zu gedenken, die, ein ruhiges Wesen als große Eigenschaft aufweist, und doch manchmal eine sprühende Lebendigkeit an den Tag legt, wenn ein anderer Mann eine kleine Entführung vorbereitet! (Böse?) Aber das zweite Paar wollen wir auch gleich betrachten, denn es scheint, dass unser Engelbert nicht so recht bei der Treue bleiben will, aber mach Dir nichts daraus, Kläre, er kommt bestimmt wieder zurück, denn Dein ganzes Ich kann er bestimmt nicht vergessen! Schon gar nicht, wenn es zum Essen geht und der gute Engelbert sieht, dass eine gute Hausfrau doch was wert ist! Aber wenn wir gerade bei der Hausfrau gelandet sind, so möchte ich gleich der blonden Käthe ein Sonderlob sprechen, denn ihre Kochkunst hat es wirklich fertiggebracht, sämtliches gekochtes Suppenmaterial in die übersättigten Mägen zu giessen und mich zu zwingen, unheimliche Mengen an „Spätzle“ zu verschlingen, und das alles mit dem allerherzlichsten Gesichtchen, als gedenke sie nie und nimmer einem Menschen ein Härchen zu krümmen. Bleibe aber so, Käthe, das ist die schönste Hausfraueneigenschaft und ich könnte Werner nur empfehlen, sich nicht so „reserviert“ zu verhalten und bei einem nochmaligen Mittagschlaf sich mehr auf die „Sonnenseite“ zu

schlagen! Denke daran, Werner, alle großen Männer in der Vergangenheit hießen, Otto oder Werner! Also eifere Deinen Vorbildern nach, und hole die Sterne vom Himmel! Apropos Himmel, da fällt mir gerade was ein, das letzte Paar in unserem Kreis scheint sich wirklich im 7. Himmel zu bewegen, denn manchmal macht auch der Beste „Ehemann“ seine Seitensprünge nicht wahr: Bernd Schönemann! Aber nichts für ungut, es ist nur so eine kleine Eigenschaft von mir, andere Leute ein bisschen zu foppen, um hernach mit vielen Verbeugungen eine kleine Entschuldigung hervor zu stottern. Aber sonst ist er ein guter „Ehemann“, liebe Elsbeth, den Du grossartig gezogen hast! Auch Dir muss ich das Kompliment machen, dass Du ein wohlerzogenes Wesen bist, dessen Augen sogar ein zerdrücktes Kleid aufrichtig bedauern! Aber mach Dir keinen Kummer, auf dem flachen Land sieht man solche Falten nicht! – „Hallo, hoppla, Oskar, stör ich?“, frägt eben eine bekannte Stimme mich „oh, Annele, um Gottes – Willen, jetzt bin ich wieder bei Dir, jetzt bin ich wieder aufmerksamer, „Ehemann“!“ Mit „Buckel – Essen“ und dem Rufen nach Wasser (dabei entwickelte Freund Engelbert mit seinem Aronstab erstaunliche Fähigkeiten „denn er brachte wirklich – kein Wasser!) kamen wir so langsam bergan. Da plötzlich – eine Lichtung, richtig ein Blick nochmals nach vorne, ja es stimmt, gleich sind wir am Katzenbuckel! Aber da spricht unser Engelbert folgenden Machtspruch: „Hier ist gut sein, hier lasst uns rasten!“ Ha, gut gesagt, aber woher das Wasser nehmen und nicht stehlen? Da – ein großer Rat! Das Wasser wird von Waldkatzenbach geholt, und zwar 4 Freiwillige vor, und der Rest sammelt Holz! Donnerwetter so viel Wasserträger? Entscheid des Präsidenten: Familie Roos und Familie Hillenbrand holt Wasser, die anderen Fam. sammeln Holz! Wie gesagt, so getan. Die zwei Töpfe werden rausgeholt und auf geht’s zur Wasserfahrt! Singend kommen wir im 5 minütigen Marsch an das erste Haus und unsere große Bitte öffnet uns Tür, Tor und Wasserhahn! Hurra, die Töpfe sind voll und auf geht’s zum Lagerplatz zurück! Singend, und manchmal in gebückter Stellung (der Oskar geht immer in die Knie!) nahen wir uns doch dem Ziel ohne von dem kostbaren Nass einen größeren Schub verloren zu haben. Rauch, Qualm und eine Fotoaufnahme überraschen unsere frohen Herzen!  Aufgesetzt die Töpfe

und hinein mit dem Suppenverdickungsmittel! Alles hat sich’s bequem gemacht und freut sich des schönen Wetters, das uns der gütige Petrus nochmals bescherte! Auch wir machen es uns bequem, d.h. mein Pullover kommt raus, und dann such ich für Annele und mich auch solche traditionellen Stöcke, die beweisen sollen, wie wanderbegeistert auch Fam. Roos ist! Nebenbei zerkleinern wir aber noch Holz und beteiligen uns somit auch etwas an dem Volksessen – Kochen! Käthe, Kläre und Irmgard sind die würdigen Vertreterinnen unseres großen Haushaltes! Frl. Elsbeth und der Bernd tun sich nützlich beim großen Rühren der „spätzlichen“ Leibesspeise! Während dieses emsigen Wirkens fordert uns Werner plötzlich auf, ein Stück Wurst in die Hand zu nehmen und etwas in die Nähe der Fam. Schönemann zu sitzen. Nanu, etwas bedeppert, folgen wir dem Wunsch, und knips – da war schon wieder ein Bild verknipst, bin mal gespannt, ob‘s was wird! Da – schon erklingt der Ruf: Essensempfang! Zuerst Wurstausgabe, dann Teller mit Kochgeschirrverteilung und darnach Löffelvergebung! Ja, Oskar, wenn du zwei Löffel hast, dann gib denen alle zwei, die keine besitzen! Annele aber prägte mir ein, ich sollte folgenden Essensspruch tun, den ich aber vergaß, und als ich später daran dachte, war es schon zu spät! Er lautet:

„Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer kein Löffel hat, esse mit den Fingern;
Drum esse jeder was er kann, ran alle Mann!“

Käthe und Irmgard aber gingen wirklich später mit dem guten Essen hausieren, denn ein Rest war noch übrig geblieben, und er sollte unter allen Umständen noch in die Mägen der Lagernden wandern. Oh, Oskar, gib acht, man gibt dir wirklich „den Rest“! Aber Oskar schaffte es und konnte bereits nach wenigen Minuten der Vornahme des „Gewaltaktes“ sich dem erwartenden Schlaf widmen. Denn die Familien hatten sich auseinandergezogen und bereits zu einer kleinen Ruhepause niedergelegt! Aber die Irmgard, hatte plötzlich Lust bekommen, den in der Ferne weilenden Wandervögeln Gedichte und Karten zu senden und sämtliche geistigen Kräfte der Lagernden ins Treffen zu führen und sogar alle mit dem Vornamen unterschreiben zu lassen. Und so verging die Zeit und plötzlich stellte Bernd fest, es wäre Zeit für die Familie Schönemann aufzubrechen, um zur Bahn zu kommen, denn die Macht und das Muss war stärker als der Wille! Es war bereits 15 h und auch wir mussten noch das letzte Rennen auf den „Buckel“ machen! Also, auf geht’s! Töpfe reinigen? Mit was? Haaalt, mit Gras und Papier! Hurra, wir haben es!

Auch ohne Wasser geht die Reinigung vor sich! Und nun ade Du guter, getreuer, Rasenplatz, denke daran, dass wir stets Deiner gedenken! – Singend kommen wir zum Trennungsstein, zum Stein des Abschieds, denn Schönemanns wollen Abschied nehmen! – Da, seht doch, da kommt ein älteres Ehepaar und Kläre erfasst die Lage und bittet die Herrschaften, uns doch bitte, bitte zu „knipsen“ und uns damit ein Abschiedsbild zu schenken! Es gelingt, und bald geht das große Abschiednehmen mit Händeschütteln und rührenden Abschiedsszenen vor sich! Pfeifen, winken, rufen und singen, war so bunt durcheinandergemischt und so stark, dass ich es mir erlaube, diese Wörter gross zu schreiben! Aber weiter ging es im geschlossenen Sprung das letzte Stück Weg zum Ziel hinan, und als es soweit war, das letzte Hindernis zu nehmen, wurde auch die 88 Stufen umfassende Wendeltreppe mit großem Elan bezwungen. Ein scheinbar wenig „lehrreicher“ Vortrag von Oskar wurde mit „benebelter Sicht“ und der Lagebesprechung durch Engelbert und Josef unterbrochen! Danach Aufbruch zum Abstieg und kleine Vorahnung des baldigen Abschieds! Ein Stückchen Linsertorte wanderte von Mund zu Mund und liess Engelberts Geist wieder erwachen, der eine große philosophische Abhandlung über Weibertreue begann und dabei beinahe durch Kläre den Heldentod gestorben wäre. Mit Liedern, die zwar mehr lauter als schön waren, zogen wir festen Schrittes durch Katzenbach, Dielbach (am Brunnen gedachte man in großem Singsang sämtlichen trinkenden Nixen!) an der Post vorbei – wo Käthe unsere Heldengeschichte in den Briefkasten warf – in den dunklen Wald hinein, der uns schon die unheimlichen Gründe der Wolfsschlucht ahnen liess! Und gar bald nahm uns das tolle Bild der urwaldähnlichen Schlucht gefangen. Steil abstürzende Wände, ein schmaler Fußpfad, durchkreuzt von querliegenden Baumstämmen, Findlingen, usw. zwang uns oft zu bergsteigerischen Artistenleistungen. Und ein wildes Durcheinander erinnerte uns an alte germanische Sagas! Aber leider stellte Annele mit einem Blick auf die Uhr fest, dass wir uns eilen mussten, um auf den Zug zu kommen, der nun ca 1730 h in Zwingenberg wegfahren sollte. Wir mussten nun leider uns einen schnellen Abschied erlauben, denn ein Zug wartet nicht, aber ein Mutterherz hatte das Versprechen, dass die Tochter um 18 h zurückkommt. Also nun ran, Fam. Roos, jetzt aber los! Lebt wohl, all ihr lieben Freunde, des heutigen Tages, Dank Euch allen für die grosse, herzliche Aufnahme, Dank ganz besonders für all das Gute das ihr an uns getan. Wir winken, springen und sind bald am Bahnhof. Dort heisst es aber noch etwas warten, denn erst 1740 h geht der Zug Richtung Mosbach und um 1820 h

geht der andere Zug, der unsere Freunde entführt! Nachdem wir unsere Fahrkarten besitzen, ziehen wir uns nochmals in die frische Luft zurück und trauen unseren Augen nicht … die Restgesellschaft ist auch schon hier und nach einer nochmaligen Begrüssung ziehen wir uns in den Wartesaal zurück, wo die letzten Brote herausgeholt werden und dem Magen zugeführt werden. Ich selbst notiere die Namen aller anwesenden und verteile „grossspurig“ meine eigenen Visiten-Karten! Da – plötzlich ein Fauchen und Zischen – ein Blick hinaus – ja richtig, es ist der Zug, die Abschiedsminute ist es. Schneller Händedruck, ein letzter Abschiedsblick, und hinaus geht es durch die Sperre! Doch der rotbemützte Mann ist nicht gleich da und so geht es eben so von der anderen Seite in den Zug rein – doch da erscheint der Erwartete, er knipst unsere Billets und schmeisst uns die mit Brettern vernagelte Türe zu! Aber er hat die Rechnung ohne den Wirt getan, denn ich öffne nochmals die Türe und winke ein letztes: „Lebe Wohl“ dem Freundeskreis zu, so gleichsam Abschied nehmend vom letzten Wandertag in der Wandersaison 1946. Mit frohem und doch wehmütigem Herzen gedachte die „Fam. Roos“ des schönen Tages und des neuen Freundeskreises und gedachte, durch diesen Bericht das abzustatten, was uns Dankesschuld innerlich auferlegt hatte, nämlich das hohe Lied der großen Kameradschaft, der herzlichen Gastfreundschaft und der treuen Freundschaft zu singen und zu beschreiben! Drum Wanderer, kommst du nach Heppenheim, so verkünde dorten Du habest uns hier reden hören, wie das Herz uns befahl:

So schön wie heut, so müsst es bleiben …!!

Oskar

Als Gäste der Garde beteiligten sich and der Fahrt:

1. Herr Bernd Schönemann

2. Herr Oskar Roos

3. Frau Annele Knapp

Trösel – 27.4.1947

Anwesend: Josef, Irmgard, Werner, Käte, Cläre u. Engelbert

Schließlich fanden wir uns doch auch in diesem Jahr aus dem Winterschlaf. Es drängten die jugendlichen Leiter innerhalb der KG (Knüppelgarde] schon seit Wochen, aber es zagten die „Vernünftigen“ und hielten weise Reden über „Kalorienanlage als Funktion der körperlichen Betätigung“. Ein Glück, dass unser Präsident zu den (im Herzen) Jüngeren zählt, denn … noch war nicht der Mai herbei, ergab sich dieses Konterfei: …

Was sich da zusammengefunden hatte, waren die gleichen Unermüdlichen des Vorjahres. Durch die taubenetzten Fluren folgten wir des Baches Spuren hügelan bis wir uns im Labyrinth der Gärten verirrten und uns schließlich doch der kühlende Wald empfing. Da ertönten dann die alten Wanderweisen vom immergrünen Maien. Aber es traf sich auch, als wir oben am namenlosen Pavillon ankamen, dass die KG erstmalig von einer Zunft Wandervögel gesanglich überboten wurde. Mit aller Fairness sei dies gestanden und geklagt. Darob bekam Cläre eine Rüge, von der sie sich nur recht langsam erholte. Es zeigte sich drum beim Gang durch das jungfrische Laub, dass selbst die bestgezeichneten Pfade nicht immer zum ersehnten Ziele führen. Und was half es hinterher lange Reden zu führen: Genug, wir landeten schließlich in U-Flockenbach, fanden den Weg nach Trösel, das ebensowenig unser Ziel war, wie überhaupt die heutige Wanderung das Endziel des gemeinsamen Weges zweier Menschenkinder.

Der Hunger verwarf alle schwebenden Probleme und bald versprach ein prasselndes Feuerchen (auf der Höhe oberhalb Trösels, zunächst eines Baches) die heiße Sättigung. Anschließend sonnten und fußbadeten wir uns, während die Grillen um uns zirpten, die Vielfalt unserer Gedanken dämpfend begleitend. Was half uns die zu Ende des Heimwegs – nach einer kurzen Rast hinter dem „grünen Baum“ zu Buchklingen – beim Übersteigen von Wachenburg und Ruine Windeck aufkommende Fröhlichkeit? Sie läutete die stille Traurigkeit, die über allem lastete, ob der Trennung zweier Herzer und um das Scheiden unseres 1. Präsidenten Josef Weber aus der Reihe unserer Aktiven.

Engelbert

Neckartal - 17.8.1947

Teilnehmer: Cläre, Engelbert, Irmgard, Werner, Maria, Käte, Stefan

Wenn man darangeht sich den Ausflug ins Neckartal ins Gedächtnis zurückzurufen, dann denkt man unwillkürlich an das Knüppelgeklapper, das auf den Bahnhöfen und auf dem Pflaster der Städte und Dörfer die Aufmerksamkeit der Umgebung auf die Wanderer der Knüppelgarde lenkt. Und das war es dann auch, was mir als Neuling, der zum ersten Male an einem Tagesausflug teilnahm, aufgefallen ist.

Jeder kennt das Bild: Bahnsteig voller wanderlustiger Ausflügler, Reisegepäck und über allem strahlender Sonnenschein, der sich den ganzen Tag über uns ergoss.

Der Zug läuft ein und im Nu ist ein Abteil belegt. In Weinheim steigt Maria zu, von der Garde mit Freudengeheul begrüßt – zum Entsetzen der Fahrgäste.

In Heidelberg geht’s mit Knüppelgeklapper durch den Bahnhof nach der Haltestelle der Straßenbahn, die uns nach Neckargemünd bringt. Das Bild überfüllter Verkehrsmittel bei 30 oder 34 Grad Hitze ist oft genug beschrieben worden, ich kann deshalb darauf verzichten. In Neckargemünd kurze Rast – eine Brötchenlänge-.

Nun gehen wir daran, den richtigen Weg nach Neckarsteinach zu suchen, was sich als äußerst schwierig erweißt. Dem Aufstieg zur Höhe stellt sich ein nicht zu überwindendes Hindernis in den Weg. Einem verzauberten Schloss gleich krönt eine grün überwachsene und umwucherte „alte“ Ruine die Bergkuppe. Die . K.-gardisten dringen von allen Seiten vor, einzeln und in ganzen Trupps – es gelingt nicht. Zerfallene Treppen, moosüberzogen unzugängliche Wehrmauern, Drahthindernisse und urwaldähnliches Dickicht schließen das verzauberte Schloss hermetisch ab. Schließlich findet sich irgendwie und irgendwo ein Weg drumherum und durch Gärten und Wiesen führt unser Weg an Villen vorbei zum Tor hinaus …..

Zum kleinen Aussichtstempelchen am Weg, an dem keiner vorbeigehen kann ohne einzutreten. Ebersturz oder Schweinesprung oder so ähnlich. Herrliche Aussicht ins Neckartal, flussauf und flussabwärts. Zwei Mädchen sitzen lustig und froh gelaunt auf einem Gebäude zwischen zwei Pfosten. Plötzlich ein Krach, für Sekunden gespannte Mienen – Schließlich ein befreiendes Gelächter. Die Mädchen purzelten ins Gras und schon hatte die Hütte ihren neuen Namen: „Jungfernsturz“. Ein zufällig anwesender Passant hatte seine helle Freude daran.

Ein Waldweg nimmt uns auf, Schatten, Kühle. Hohe Bäume reichen sich über unsere Köpfe hinweg ihre langen Arme. Waldrand. Eine Wiese breitet sich aus. Abstieg zum Neckar. Fußweg am Fluss entlang. Es geht auf Mittag zu. Brüllende Hitze. Hochsommer mit Hitzerekorden, wie seit vielen Jahren nicht mehr. Gegenüber Neckarsteinach ein kleiner Zeltplatz. In der Mittagssonne bratend oder unter den Zeltdächern Männlein und Weiblein. Mit der Fähre setzen wir über den Fluss. In Neckarsteinach ist bald ein Gasthaus aufgestöbert und eine erquickende Kühle nimmt uns auf zu wohlverdienter Rast. Ich kann es nicht unterlassen, das sehr gute Bier zu erwähnen, das sich von dem unter sonstr diesem Namen verabreichten Gesöff merklich abhob.

Kundschafter stellen inzwischen fest, ob und wann ein Neckarschiffchen abfährt. Es fährt. Nach einem Rundgang durch alte Gassen gehen wir zur Anlegestelle. Und wieder ein Höhepunkt: Bootsfahrt auf dem Neckar. Die Arme baumeln im Wasser, Knüppel krampfhaft festgehalten, tauchen in die Flut. „Kühle Flut“ wäre zu viel gesagt, das Wasser war schon fast lauwarm. Das einzig bedauerliche ist, dass die Bootsfahrt bald ein Ende hat. Es hätte ruhig so weitergehen können.

In Neckargemünd ist noch so viel Zeit, dass sich zwei Fünftel kopfüber in den kühlen Bach stürzen. Maria H. fährt früher ab… … Straßenbahn nach Heidelberg quetschvoll. Und heiß ists immer noch. Es wird überhaupt nicht mehr kühler werden. In Heidelberg spülen wir die letzten Brote hinunter. Mit Bier. (Dieses Mal ist es „Gesöff“) und wieder klappern die Knüppel durch den Bahnhof. Ein schöner Tag geht zu Ende. Wir wandern nach Hause und die Knüppel in ihre Ecken – bis zum nächsten Male …

Stefan.

Rundrim - 25.9.47

Cläre + Engelbert

Rundrim ist juhöhisch und würde anderswo rundherum heißen. War da einmal eine juhöhische Dienstmagd, die ihrer kreisstädtischen Herrschaft gegenüber ihrer Verwunderung Ausdruck gab, warum offensichtlich kein Weg auf die Starkenburg führe. Über ihren Irrtum aufgeklärt, prägte sie die geflügelten Worte: „Ah“ s’gäit immer rundrim“ und also hat sich der schöne Ausdruck bei uns eingebürgert.

„Rundrim um Hepprum“ wurde lange diskutiert; solange, dass wir schließlich doch nur zu zweit in den herbstlichen Morgen zogen. Rundrim wandern wir um den Schloßberg hinauf, die sonntägliche Stadt immer tiefer zu unseren Füßen harred. Zogen dann stundenlang durch den farbenprächtigen Wald über die Jägerrast ins Mittershäuser Tälchen, überquerten (nach kurzer Rast hoch über der Talstraße Heppenheim – Fürth) streng nach Süden wandernd das Kirschhäuser Tal bei Wald-Erlenbach u. erstiegen mit Mühe den jenseitigen Kamm (Hasselberg) von wo aus man, auf der Höhe westwärts gewandt sich in wenigen Minuten Kreiswald nährt. Das idyllische Fleckchen mit seinen drei Häusern – samt freundl. Wirtshaus- war uns ja von unserer 1. Mai-Wanderung 46 noch so lebhaft in Erinnerung, dass wir vorerst nicht weiterzubringen waren: Wir kehrten ein, lagerten uns dann auf der benachbarten „Stromdurchflossenen“ Waldwiese und bewunderten die Kaltblütigkeit eines Apfeldiebs, der kaum 20 m von uns entfernt unter unseren Augen Äpfel in seinen Sack schüttelte u. voll damit im Walde verschwand. Knüppelgardisten auf Fahrt machen solch verwegenen Eindruck, dass er uns ohne weiteres als Kumpanen ansah? Uns blieb vor Staunen über solche Frechheit die Spucke weg u. beim nächsten Nussbaum (Äpfel hatten wir schon genug aufgehoben) kaum vor der Juhöhe hatten wir schon von ihm gelernt. Allerdings ließen wir die Zeugen fehlen.

Wir kamen abends heim mit dem Gefühl, einen selten schönen Tag hinter uns zu haben. Freilich entbehrten wir der größeren Gesellschaft; aber in diesem heißen Sommer lässt sich nur kaum jemand aus dem Schatten ans Licht locken.

Engelbert

Weisser Stein - 23.5.48 Engelbert, Kläre

Wieder einmal rief uns ein herrlicher Sonnentag auf zum Wandern. Doch scheint eine Müdigkeit über unsere Gesellschaft gekommen zu sein, denn nur zwei unermüdliche Gardisten eilten zum Bahnhof. Großsachsen unser Bahn Endziel war bald erreicht u. dann trippelten Engelbert u. ich bei herrlicher Sonne die Straße dem Walde zu. Wie zwei unbesorgte Kinder sangen wir u. warfen Steine von der reich besäten Chaussee. Doch bald war der Wald erreicht. Eine herrliche Stille nahm uns auf u. nur ab und zu läuteten uns die sonntäglichen Glocken. Die Gegend war uns ganz fremd u. doch so vertraut, denn auch hier spürte man den richtigen Odenwald. Unser erster Weg führte nach Heiligkreuz, von da nach Rippenweiher, wo wir einige Minuten einer Stute mit Fohlen zuschauten. Noch lange verfolgte uns das Bild des munteren Tieres. In Ursenbach überraschte uns der Anblick von blühenden Apfelbäumen, denn bei uns setzten die Bäume ja schon Früchte an. Nun hielten wir nach einem Orte Ausschau wo wir unser Mittagsmahl verrichten könnten und entschlossen uns für Altenbach, dass schon etwas größer war u. mehr Leben zeigte. Unser nächstes Ziel war Wilhelmsfeld, das uns aber zu keinem Aufenthalte riet, das schon mehr Verkehr infolge seines kurörtlichen Rufes aufwies. Nun waren wir unserem Ziele recht nahe gerückt. Ein herrlicher Wald, der sich wie ein Dom über uns wölbte und schloss, ließ uns alle Sorgen vergessen u. froh sein. Auf dieser herrlichen Waldstraße hätten wir noch lange gehen können. Doch bald belebte sich der Wald. Viel Jugend kreuzte unseren Weg u. aus ihrem Erzählen konnten wir erfahren, dass sie zur Gottbekenntnis-stunde auf die Thingstätte wollten. Da uns der Jubel zu groß wurde, besuchten wir kurz den Aussichtsturm am weißen Stein, ließen Odenwald, Bergstraße u. Neckar sich als ganzes Stück Heimat vor unseren Augen auftun u. erfreuten uns immer wieder an dem herrlichen Tag. Nach einem kleinen Imbiss im Café gingen wir weiter. Schon bald hörten wir eifriges Singen, denn die Thingstätte war nahe. Überall grüßten die Wimpel die Jugendlichen und wir beschlossen wenigstens einen Teil der Feier mitzuerleben. Ich selbst war überwältigt von der Größe dieses Platzes u. mit frohem Herzen sang ich mit. Dann war es Zeit zum Zuge. Zuerst dachten wir, dass Käte u. Irmel mitführen, da auch sie in Heidelberg bei Elsie waren, doch dann ging es alleine fort. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich doch müde war u. schlief in einer Ecke etwas ein. Unser Wunsch wird immer bleiben, solche Friedenstage noch mehr zu erleben.

Cläre

Mörlenbach – Juhöhe - 10.7.1949

Elsbeth, Cläre, Maria Hess, Engelbert, Josef, Renate

10. Juli 1949.

Mit diesem denkwürdigen Tage beginnt mein „Einzug“ in die Knüppelgarde. Ich hatte doch etwas Herzklopfen als Elsbeth mich am Abend des 9.VII. mit nach Heppenheim zu Familie Hillenbrand nahm. Doch war das alles reichlich unbegründet, da Clärle und Engelbert mich Unbekannte so reizend u. liebevoll aufnahmen, dass ich hell begeistert war. Unter allgemeinem Gespött und Gelächter schloss ich zwar nachts das Zimmer ab, doch als ich am Morgen des 10. heil und gesund zum Frühstück geweckt wurde war ich vollkommen überzeugt bei durchaus „gutmütigen“ Wanderern gelandet zu sein. – nach der Frühmesse packten wir unsere 7 Sachen, und Clärle übergab ihre beiden Sprösslinge der Obhut ihrer Mutter, und auf gings mitten in einen herrlichen Wandertag hinein. Doch…: Sie erreichen den Zug mit müh und Not, die einen war’n blass, die anderen rot! – Von Hemsbach aus gings mit Gesang u. Stockgeklapper in den Odenwald hinein. Es war ein herrliches Gefühl, unter jungen, fröhlichen Menschen im Walde dahin zu wandern. Keine Häuser u. Mauern rechts u. links, nur Bäume, Bäume, Bäume. Aber das da vorn das schien doch kein Baum zu sein oder? Das bewegte sich ja. Mutig stieg Engelbert voran und entdeckte als erster, dass der bewegliche Baum ein Mensch war, u. zwar wie sich herausstellte ein eifriger Darwinist. Nachdem wir mit ihm über die Abstammung des Menschen und die Entstehung der Erde (Soll was???) diskutiert hatten, halfen wir ihm mitleidsvoll bei seinem interessanten Geschäft Lianen von den Bäumen zu reißen. Für diese anstrengende  Arbeit bekamen wir zwei Belohnungen: 1. Hatten wir ein interessantes Thema für unsere Weiterreise u. 2. Plumpsten uns unversehens wilde Kirschzweige von einem gütigen Spender auf die Nase. Na, das war wirklich eine Überraschung! Inzwischen waren wir bergauf und bergab gekraxelt, hatten links Balzenbach liegen gelassen, waren durch Brettenbach u. Weschnitztal gewandert u. hatten eine wunderschöne Mühle erreicht. Von da ab benutzten wird die Chaussee bis Mörlenbach. Hier hielten wir Mittagsrast und zu unserer allgemeinen Freude erklärten sich Maria Heß und Josef Weber bereit weiterzuwandern. Unser Ziel war ja die Juhöhe, u. so machten wir uns bald wieder auf den Weg. Nun wir zu 6. waren ging es fast noch flotter voran, vor allem Josef in seiner originellen Art (Art) ließ uns die Mittagshitze fast vergessen. Und dann hatten wir ja schon wieder Kühlung und Rast vor Augen. In der Nähe von Klein-Breitenbach, liegt etwas erhöht, eingerahmt von Wald und Wiese das Gasthaus Taufertshöfer: dort verbrachten wir den Nachmittag u. ich war nun schon ganz zu Hause in

der K.G. Leider mussten wir uns schon allzu bald auf der Juhöhe von unseren beiden Mörlenbachern verabschieden. Mit (eig) einigen kräftigen Jodlern verschwanden sie in unserer entgegengesetzten Marschrichtung. Erst beschlich mich etwas Traurigkeit wie es immer beim Abschiednehmen ist, doch schon warf Engelbert ein neues Stichwort hin: „Richtung Lee, Hü(h)nengelgräber!“ Aha, da lohnte es sich schon den Berg herunterzusausen u. die Röcke fliegen zu lassen, also (Hüh) Hünengräber. Gespannt starrte ich nach rechts u. links, doch konnten wir nur schwankende u. vom Wind leicht bewegte Gräser u. Sträucher entdecken. Doch dort? Nee, auch dort nichts. Und hier? Pah, wir durchtrabten rechts und links das ganze Gelände, doch die geheimnisvollen Gräber blieben verschwunden. Als wir zu Clärle u. Elsbethe zurückkamen, lächelten sie verschmitzt: „Ooch, die Hünengräber waren doch schon lääääängst vorüber.“

Müde und sonnverbrannt kamen wir abends wieder in Heppenheim an, stürmisch von der kleinen Maria begrüßt, u. seufzend stiegen wir im Garten in die kalte Wanne zum Fußbad mit dem einstimmigen Urteil: Es war ein wunderschöner Tag, wir sind 100 %ig zufrieden.

Ich bin glücklich u. froh, dass ihr mich in eine Gemeinschaft aufgenommen habt, u. ich kann nur immer wieder sagen: Auf zu neuen Taten!!!

1950

endlich wieder KNÜPPELGARDE

Wanderung am 11. Juni (So.)

zum Hardberg (594 m)

Abfahrt: Heppenheim 8:03
Fahrtkosten: hin + zurück (12 km) 0.90
Abmarsch: Weinheim 830 Geiersberg-
U-Kunzenbach-Wünschmichelbach-
U-Abtsteinach-
Mittag: Lichtenklingerhof
Hardberg-O-Abtsteinach-Lörbach-
Buchklingen-Weinheim
Abend: Heppenheim: Präsidenten Wahl
                                               Reorganisation
Verpflegung: mitbringen; soweit Ergänzung

nötig: unterwegs

Unbedingt (bis Do 8.6) Bescheid geben
Freunde mitbringen!

Lichtenklinger Hof

Mit

Renate, Herta, Engelbert, Philipp, Cläre, Gisela

11.06.1950

Wir kamen zwar nicht auf den Hardberg, aber immerhin waren wir gegen 15 Uhr über bewaldeten Berge und durch viele liebliche Täler unter dem strahlenden Sonnenhimmel bis zum Lichtenklinger Hof gekommen. Der Zug brachte eine fidele Gesellschaft bis Weinheim, von aus wir unsere Wanderung begannen, schon gleich zu Anfang erheiterte uns ein alter Mann, der Lianen von den Bäumen zog. Eine harmlose Frage nach dem Zweck.

veranlasste ihn, uns einen langen Vortrag zu halten. Leider mussten wir gerade zur heißesten Tageszeit ein Stück auf der Landstrich wandern. Aber wir rasteten öfters auf den Wiesen. Über Kunzenbach, Trösel kamen wir gegen Mittag nach Unter-Absteinach. Im Gasthaus bekamen wir gerade noch eine Suppe. Bald zogen wir durch abgegraste Heidelbeerwälder zum Lichtenklinger Hof. Das ist ein wirklich idyllisches kühles Plätzchen, dessen Ruinen von alter Vergangenheit zeugen. Ein wunderschöner Brunnen mit klarem, kühlem Quellwasser errettete uns vorm Verdursten. Auf dem Rückweg – wir hatten uns die Füße im See gebadet- lernten wir auf originelle Weise den Unterschied zwischen einem Hühnchen und Gänschen kennen. In Unter-Absteinach entschlossen wir dann mit dem Omnibus zurück zu fahren. Während der Rückfahrt reichten Cläre die eilfertig zugereichten Taschentücher nicht aus. In Weinheim hatten wir gleich Anschluss. Trotzdem war der Tag soweit fortgeschritten, dass wir die vorgesehene Präsidentenwahl auf das nächste Mal verschieben mussten. Der Tag ist für mich besonders wichtig, weil ich an ihm in die Knüppelgarde als mit aus jüngstes Mitglied aufgenommen wurde.

Die Bilder zeigen, dass es eine zünftige fidele Fahrt war.

Gisela

Wegscheide - 16. Juli 1950

Teilnehmer: Engelbert, Cläre (Maria), Herta, (Bernhard) Phillip, Oskar

Des Menschen Leben ist ein kurzes Leid, bald rollt es fort in mächtig lauten Wogen, wie Orgelklang sich bricht am Pfeilerbogen, bald flötet’s wie der Nachtigallen Schlag, wie Bachgeflüster durch den Blütenhang.

Oh lass dein Lebenslied zum Himmel steigen, so rein und fromm, dass sich die Engel neigen, zu lauschen seinem klaren, vollen Klang – dein ganzes Leben sei ein Festgesang!

Viele, viele Monate und eine ansehnliche Zahl an Jahren sind seit dem Zeitpunkt vorübergezogen, seitdem ich die letzten Worte in diesem lieben treuen Buche geschrieben! Eine große stille Sehnsucht nach den vorübergegangenen Jahren und eine leise Wehmut über das Nicht-Erleben so mancher schöner Stunden innerhalb der lieben, edlen Freundschaft, der Knüppelgarde beschlich mein Herz, als ich an diesem ruhigen und schönen Abend das Buch der K.G. durchblätterte u. die lieben Worte das hohe Lied edelsten Menschentums geschildert sah. Tiefgründige Wehmut über das Vergangene und Verlorene wechselte mit starker Sehnsucht und hoffendem Glauben an das schöne, liebe Zukunftsbild meines Ich’s innerhalb der K.G. und harret mit gläubigem Vertrauen über den 16. Juli 1950, den Wegscheide-Punkt meiner Inaktivität hinweg, dem zukünftigen stärkeren Verbunden sein mit den lieben Freunden der K.G. entgegen. Zuvor aber möge mein Herz und meine Seele jener großen Freude Ausdruck verleihen, die der unvergessliche Wandertag des 16. Juli 1950 den fröhlichen Teilnehmern bescherte. Mögen meine Worte die innere, große Freude schildern können, die mich und die guten Freunde

beseelte, als wir den schönen Wandertag der holden Sommernacht anheimgaben. Und so höret nun die Geschichte des großen Tages!

Voll stiller Fröhlichkeit war ich am Spätnachmittag des Sonnabends dem schönen Heppenheim und meinem lieben Freunde Engelbert mit seiner nicht minder lieben Frau Cläre entgegengefahren und wurde daselbst von Engelbert und seinem holden Töchterchen Maria in freudige Schutzhaft genommen. Daheim angekommen, entledigte ich mich der hochoffiziellen Begrüßungszeremonie und nach einleitenden Worten des noch und sehr weise anführenden Präsidenten Engelbert wurde kleiner „Kriegsrat“ gehalten. Und da… kam die große Trauermeldung! Elsbeth sagte ab! Schade, schade liebe Elsbeth, ich hätte dich gerne mal wieder begrüßt – und die gute saftige Wurst (von Cläre liebevollen Herzens eingekauft!) grinste schadenfroh aus ihrer Papierumhüllung hervor und glaubte schon, die Rettung vor dem hungrigen Magen der „ungetreuen“ Elsbeth sei die Rettung auch vor den hungrigen Mägen der Anderen. Hohn – Falsch getippt, mein liebes Fräulein Wurst lt. Beschluss der „kleinen“ drei wirst du gesiebenteilt und den schon nach dir lechzenden Mägen der Rest-Wanderer einverleibt werden. Schreie nicht, sondern freue dich, denn nichts ist schöner als im Magen der Menschen fortzuleben! – Ja, aber auch die mir noch unbekannte Renate (von Engelbert als ein „liebes Ding“ bezeichnet – hört! Hört! -) hatte leider abgesagt, sodass ich es mir eben (betrübten Herzens!) verkneifen musste, die Bekanntschaft des dreizehnten Mitgliedes der KG zu machen. Um aber davonlaufenden Kassenrechnungen eine starke Widerstandskraft zum Ausharren bis zum nächsten Tag einzuimpfen, bin ich gerne bereit den starken Mann zu spielen, um auch der lieben Renate den sorgenfreien Wandertag zu verschaffen. Nun der Beschluss stand fest: Wanderung wird wie vorgesehen durchgeführt! Und alles ging frohen Mutes in gutem Schlaf und Traum dem Sonntag entgegen. Mit einem noch schlaftrunkenen Blicke auf die Armbanduhr erfasste ich nun doch im Trancezustand, dass es an der Zeit war, aufzustehen. Oh, wie schade! So ein kleiner lieber Bettdiwan kann einen doch sehr, sehr fest anhalten! Aber es hilft nichts – raus, lieber Freund, es wird Zeit, es ist schon 6 Uhr. Rasieren, Waschen, etc. ist schnell erledigt und dann geht es mit frohem Herzen in die ¾ Uhr Messe! Auf dem Hinwege lassen wir die schon prächtig scheinende Sonne auf unseren fröhlichen Gesichter ruhen und wir sind der Meinung, dass ein herrlicher Tag uns heute beschieden sein wird! In einer stillen, erhebenden Messe erleben wir das herrliche unlösliche Verbunden sein mit unserem Herrn und Gott und spüren in tiefem Erschauern die große Güte und Liebe, aber auch die übergroße Allmacht dessen, der für uns am Golgotha sein Leben dafür

gab. Worte werden es nie Zu Schildern vermögen, welche Liebe und Güte aus unser Heilands Herz allen Menschen entgegenströmt, die seiner Obhut sich anvertrauen. Ich selbst aber fühlte zutiefst, wie sehr uns Menschen die Liebe von Mensch zu Mensch noch fehlt, aber es ward mir sehr ernst damit, als ich mit Demut gelobte Gutes zu tun und gut zu sein. Und es dürften dieses Gelöbnis und innere Erhebung nur noch die schöne, stille Fröhlichkeit gefördert haben, die wir alle empfanden, als wir nach absolviertem, wohlschmeckendem Frühstück, ca. 8:45 Uhr vom Haus „Kalisch-Hillenbrand“ uns samt Fahrrad in Richtung Rosenhöhe in Bewegung setzten. Engelbert hatte einige Tage vorher im Schweiße seines Angesichts ein Tragkörbchen für sein holdes, liebes Töchterchen befestigt und voll jubelnder Freude durfte dieses liebe kleine Wesen seinen 1. Ausflug mit der K.G. machen. Hier mag fürwahr der Wahlspruch gelten, früh übt sich was ein Meister werden will! Auch Cläre, Engelberts treues, nettes Frauchen ward eifrig beim Treten der Fahrradpedale und führte uns zu Philipps Häuslichkeit. Es entspann sich ein kurzer Dialog, in dessen Verlauf festgestellt wurde, dass Herta, des Philipps treues Ehegespanst schon unterwegs sein musste! Zur Sicherheit fuhr Engelbert die Strecke z. Postamt zurück, um die „Flüchtige“ zum Gros zurückzuholen. Aber vergebens, Herta war und blieb vorerst verschollen und betrübten Herzens musste Philipp mit seinem im Tragkörbchen sitzenden Sprößling Bernhard die Fahrt vorerst alleine antreten! Und trotz ansteigender Straße ging es voll frohen Mutes der Rosenhöhe entgegen, unterbrochen von krächzenden Sangeslauten des Quartetts Engelbert – Oskar! Voll großer Schönheit und majestätischer Erhabenheit aber bot sich unseren Blicken ein herrliches Stückchen Heimatland und in tiefster Ergriffenheit ließen wir alle unsere Augen und Herzen dem lieben Heimatlande (auch mir ward es liebe Heimaterde!) entgegenjubeln und leise, leise erklang das schöne Lied: „In der Heimat ist es schön, auf der Berge lichten Höhn…“ Ja, liebe teure Heimat, sei gegrüßt, sei gegrüßt aus naher oder weiter Ferne, denn du bist so wunderschön, du Heimat des Odenwaldgebiets! In lieblicher Verzauberung aber ließen wir herrliche Tälchen und wunderschönes Bergland mit romantisch eingesponnen Dörfchen hinter uns zurück und schon sahen wir in der Ferne die Rosenhöhe winken. Dort angekommen suchten wir zuerst mal nach unserem lieben „Ausreißer“ Herta, die aber tatsächlich nicht zu entdecken war. Nach einer großen Begrüßung durch die Wirtinnen (alt u. jung) zogen wir uns zu einem kurzen Imbiss mit Beratung zurück. Kaum hatten wir uns gelagert, da entdeckte Philipp mit einem Freudenschrei seine liebe bessere Ehehälfte u. holte sie voll tiefster Freude u. unter hörbarem Krachen des runtergefallenen Steines in das aufgescheuchte Lager der KG! Große Begrüßung und Schilderung der überstandenen Solofahrt seiner holden Frau mit „motorloser Energie!“

Bald war die große Irrfahrt durch die temperamentvolle Herta geschildert, der bestellte Kuchen verzehrt u. Bier, Limonade u. Milch getrunken, als der bis dahin noch amtierende Präsident Engelbert die Wahlkommission zur Auswertung der übersandten Wahlzettel bestimmte. Die Wahl fiel auf: Herta und Oskar. In straffer Haltung, eingedenk der großen Aufgabe und der großen Stunde, zogen sich die Genannten an einen runden Ecktisch zurück und walteten voll Eifer ihres verantwortungsvollen Amtes! Nach ¼ stündiger Arbeit konnte das Ergebnis bekanntgegeben werden. Neuer Präsident: Elsbeth Klotz mit 7 Stimmen! Wanderführer: Renate Schilling mit 5 Stimmen! Eine Stimme war ungültig! Unsere allerherzlichste Gratulation für beide! Möge ihre zukünftige Arbeit mit Erfolg gekrönt werden! Weiter wurde noch unsere liebe Cläre gleich mit Stimmenmehrheit mit 2 Ämtern: Verpflegung und Kasse betraut. Auch Engelbert wird uns weiterhin seine große Geistes- und Schaffenskraft als neugewählter Schriftführer schenken. Ebenso der unermüdliche Werner als alter und neuer Photokünstler! Allen gewählten Freunden ein frohes: Glückauf! Zu neuer, fruchtbringender Arbeit. Nachdem die Wahlzeremonie beendet, wurde die weitere Tagesroute festgelegt und dann ging es weiter in blendender Stimmung der Wegscheide entgegen. Singend u. wettfahrend kamen wir um 12 h dort an und erkundigten uns nach einem lieben Fleckchen Erde, auf dem wir lagern und abkochen konnten. Wir erhielten gute Auskunft, fuhren nach den uns gegebenen Angaben einen Waldweg (für die Damenwelt „Halsbrecherisch“!) hinunter u. landeten nach 10 Minuten im schönsten Wiesen- u. Waldtal! Wasser, Steine, Kühe, Heidelbeeren, Wiese, Holz u. sogar später (durch Engelbert u. Oskar herausgeholt) Milch gab es in rauen Mengen! Alles in allem: ein idealer Lagerplatz! Es wurde nun Wasser geschöpft, Feuerstelle bereitet, gekocht, Erdbeeren gepflückt und den beiden Kleinen in paradiesischer Nacktheit freien Lauf gelassen. Und dann kam das Mittagessen! Donnerwetter! Ein Essen war das! Ganz große Klasse, mit einer Wurst ohne Schwindsucht! Aber es wurde gegessen u. Ehre wem Ehre gebührt, alles aß bis zum letzten Schlag der wohlschmeckenden: Bohnen- Ei und Erbsenwurstsuppe! Hoho – und es kam noch besser! Pudding gab’s auch noch! Schokoladen- und Vanille-Pudding! Aber dann kam der Schlusspunkt Es ging nicht mehr! Und der Schlaf verlangte nun seine Opfer! Um 17 h aber bies das Heimweh zum allgemeinen Aufbruch! Nachdem nun noch die gepflückten Heidelbeeren verdrückt, Männlein u. Weiblein frisiert und gewaschen, das ganze Inventar verpackt war, ging es mit einer netten, scheuen Wehmut dem Wegscheidepunkt wieder zu. In einer Schussfahrt in die Ebene ließen wir noch einmal den ganzen Zauber herrlicher Landschaften, lieblicher

Täler u. Höhen an uns vorüberziehen und voll ehrlicher, reiner Freude gaben wir uns ganz diesem Abschiedsdebut der Natur hin! Da unsere inneren Organe aber noch nach flüssigen Stoffen verlangten, kehrten wir unterwegs noch einmal in eine Gastwirtschaft ein, tranken, aßen, lachten und scherzten, beglichen unsere Schulden und schrieben an unseren neuen Präsidenten und den neuen Wanderführer Ansichtskarten mit großem Inhalt. Aber dann ging es endgültig, nachdem wir noch Bilder verknipst hatten, den heimatlichen Gefilden entgegen, untermalt von „lieblichem Chorgesang“ unseres lieben kleinen Bernhard, der gern auf der „Wutz“ herumgeritten wäre. Und mit Kochtopfgeklapper und erlebnisreichen Stunden kehrten wir mit den letzten Sonnenstrahlen in leiser Wehmut in das liebe, traute Heppenheim zurück und dankten mit frohen Herzen unserem Herrn und Schöpfer für diese schönen fröhlichen Stunden des verflossenen Wandertages! Unser Innerstes, aber war in heiligste Freude getaucht und suchte in edlen Worten den Ausdruck des Dankes zu finden, der Jenem gebührt, der so allmächtig und Allweise die Geschicke der Menschheit lenkt und in lieber Vertrautheit den Menschen Liebe, Freude und Güte spendet und uns lehret, soweit es Menschen möglich ist ihm gleichzutun! In uns und mit uns sang ein herrlicher Chor, das schöne Lied:

 Der lieben Sonne Luft und Pracht hat nun den Lauf vollführt; Die Welt hat sich zur Ruh gemacht. Tu, Seel, was dir gebühret: Tritt an die Himmelstür und sing ein Lied dafür; Lass deine Augen, Herz und Sinn auf Jesum sein gerichtet hin.

Oskar

Ursenbach 1. Mai 1951

Teilnehmer: Herta, Renate, Cläre, Gisela, Oskar, Marianne, Engelbert

Gäste: Frl. Knapp, Clemens Hoffmann, Herr Josef Hoffmann

Unsere Wanderung am ersten Mai 1951.

Es ward im Frühjahr 1951. Die Knospen der Bäume und der Blumen begannen zu sprossen und es entstand in der Natur ein emsiges Rüsten um die Wette, damit der Monat Mai alle Menschen mit seiner herrlichen Blütenpracht überraschen dürfte. Und auch wir, d.h. mein Bräutigam und ich sorgten uns schon frühzeitig, wie wir den Monat Mai in all seiner fröhlichen und herrlichen Würde in uns aufnehmen und erleben könnten. Vor allen Dingen aber interessierte uns der 1. Maientag, den wir ja unbedingt als Wandertag erleben wollten. Und es war wirklich herrlich, als eines schönen Tages im Monat April unser lieber Engelbert bei mir erschien, und uns einlud, bei dem traditionellen Maiwandern der Knüppelgarde mitzumachen. Nun da gabs kein langes Überlegen – Eingeladen, Zugesacht und … mitgemacht! So lautete unsere Parole. Zunächst galt es aber noch eine kleine Werbung durchzuführen und sie gelang! Denn auch eine Kollegin von mir, Fräulein Knapp, wollte sich begeistert in den Maienmonat mit uns stürzen und auch mein holdes Brüderchen Clemens Hoffmann gab sich die Ehre, an unserem Ausflug trotz seiner 15 Lenze in bewusstem Mannesstolz teilzunehmen.  Nun, und so kam es, dass wir am 1. Mai morgens um 7 Uhr zu vieren (Rosel und Marianne, Clemens und Oskar) von Heidelberg in Richtung Heppenheim davonfuhren. Obwohl ich nicht so richtig gesund war, so hatte ich doch mit meinem Oskar eine ganz anständige Stimmung mitgebracht, die sich beim Singen in starken Misstönen bemerkbar machte. Aber das tut ja nichts – Hauptsache – man hörte es und wir sangen! Unterwegs stiegen wir in Friedrichsfeld um und fuhren bis Lützelsachsen. Dort erwarteten wir nun den Haupttross der „Knüppelgardisten“. Da aber noch eine halbe Stunde Zeit bis zur Ankunft des Zuges aus Richtung Heppenheim war, zogen

wir mit unseren vereinten Kräften unsere Glieder über den Hauptfahrweg hinein ins „Gemeindchen Lützelsachsen“. Unterwegs appellierten wir an das Wetter, dass es unsere fotogr. Kunststücke nicht verwischen sollte. Lachend und guter Dinge zogen wir wieder an den Bahnhof und gedachten in ehrender Weise die ankommenden zu Empfangen. Der Zug brummelte schon in der Ferne – er kam näher und siehe da … Tücher winkten, Menschenhände bewegten sich. Viele Tote drehten sich im Grabe um, ob des fürchterlichen Kraches, das wir veranstalteten! Der Zug fuhr weiter – und da wir Erstankömmlinge noch auf der Gegenseite standen, konnten wir die entscheidenden Minuten, der neuen Fallschirmabsprünge nicht miterleben. Köstlich dürfte es nur den Erdenbewohnern berühren, wenn er hört, dass fast sämtliche Teilnehmer den Ort Lützelsachsen überfahren hätten, wenn nicht in letzter Minute ein ganz „ausgekochter“ darauf gekommen wäre, dass sie ja schon am Zielort seien. Nun – so kam es wie es kommen musste. – Es entstand eine Panik! Der Zug fuhr an – und die beherzten Herzen… sprangen mit einem Hechtsprung aus dem Zug! Und man höre und staune, die Damen hatten dabei das Übergewicht – Dass man dabei in Kuhfladen sprang, und verschiedene „Erd-Delikatessen“ aufass, sei nur am Rande vermerkt, werde aber mit dem lachenden Gesicht herzlich begrüßt. Nun – Alles in allem Cläre, Engelbert, Renate und Gisela waren gut gelandet und Herta Baumeister und Josef Hoffmann waren bis Großsachsen weitergefahren. Wir steuerten nach allgemeiner herzlicher Begrüßung durch den Ort Lützelsachsen über die Landstraße dem Ort Großsachsen zu. Dort wollten wir uns mit dem „Rest“ zusammenfinden. Aber als wir dort hinkamen, war weit und breit nichts zu sehen von unseren „Ausreißern“! Engelbert und Oskar zogen nun an den Bahnhof, um die „Verlorenen“ abzuholen! Leider vergebens – Denn sie waren bereits wieder nach… Lützelsachsen gefahren! Es wurde nun besprochen, dass wir uns in Großsachsen treffen! Na- und dann endlich, um ca. 10 Uhr war die ganze „Wandermeute“ versammelt. Aber um den Schrecken zu vergessen, und den Durst zu lindern,

zogen wir uns zuerst friedlich in eine Gastwirtschaft zurück und feierten die Kehlen und die Mägen mit süßen und starken Getränken und mit dicken und dünnen Broten! Aber dann ging es um halb 11 nun los! Über Wiesen und Felder über duftende Hügel und berauschende Waldungen und unter jubelndem Singsang – kamen wir am Mittag um 1 Uhr in Ursenbach an und erholten uns in einem herrlichen wohlschmeckenden Essen nach umkämpfter Platzsicherung in einem schönen Nebenzimmer der besten Gastwirtschaft! Dabei spielte ein Plattenspieler und unsere Herzen hüpften mit den Beinen um die Wette, der Freude beim Tanz auch ihren Tribut zu zollen. Um ca. 3 Uhr zogen wir weiter in Richtung Schriesheim, mit köstlichem Humor und frischfröhlichen Liedern verkürzten wir uns die Wanderzeit und wie im Fluge verging die Zeit und urplötzlich lag das malerische Städtchen Schriesheim vor unseren Augen. In jugendlichem Übermut zogen wir nun ins Tal hinab, nur auf der Gegenseite der beherrschenden Burg entgegen zu gehen. Aber leider, reichten dann unsere müden Glieder und unsere durstigen Kehlen nicht mehr aus, um auch diesen „St. Mian“ zu erklettern! Leichten Herzens schauten wir uns ihn von unten an und hofften im Stillen auf die baldige Besteigung. Wir suchten nun zunächst eine geruhsame Wirtschaft, wo wir unsere Kehlen tränken konnten mit dem köstlichen Nass! Und wie gesagt, so getan! Ruhig ging nun der Tag allmählich zuneige, denn ein jedes von uns war müde und dachte beseligt an die rückliegenden Stunden. Es war nun die Zeit zum Aufbruch gekommen und begleitet von der ganzen Knüppelgarde zogen wir Heidelberger bis in die Mitte des Ortes, an der dann der traurig – fröhliche Abschied mit einem letzten Lied (Auf Wiedersehen…) erfolgte und mit Händeschütteln und fröhlichem Winken zog ein jedes in seine Heimatrichtung davon! Und so ging dieser Tag zu Ende, begrüßt von allen die dabei waren mit ganzem Herzen und zu einer der schönsten Wanderungen durch die frischfröhliche Art aller Beteiligten gestaltet. Ein 1. Maientag, wie uns der Herre im Himmel noch viele derselben Art schenken möge!

Marianne

Steinerne Tisch - 14.10.1951

Engelbert, Seppl, Resel, Herta, Philipp, Klaus, Monika, Bernd

Eigentlich ist es für Wanderungen im Oktober schon ein bisschen spät. Aber der Herbst, der uns 1951 beschieden ist verlockt doch den Wanderstab – sprich „Knüppel“ – noch einmal in die Hand zu nehmen.

Morgens um 8 Uhr machen wir uns bereits auf den Weg. Wir benutzen den planmäßigen Autobus in Richtung Erbach, in dem wir wie immer, nicht wenig Aufsehen erregen; nicht allein unserer Knüppel wegen, sondern auch durch unser lautes und lachendes Verhalten, mit dem wir z.T. alle Fahrgäste unterhalten, vielleicht sogar manchem auf die Nerven fallen. So kommen wir an die Wegscheide, wo unsere eigentliche Wanderung beginnen soll. Es ist noch recht taufrisch an diesem Morgen, aber die Sonne wagt schon einen Blick durch die Baumgipfel. Nachdem anhand der Karte und unter vielen „Hier und Dorts“ endlich ein übereinstimmender Plan zurechtgelegt ist, geht es in nordöstlicher, später in nördlicher Richtung durch den tiefen herbstlichen Wald. Alle stellen dabei fest, dass der Herbst ebenso schön sein kann, wie der Frühling. Wir nehmen Kurs auf das Lärmfeuer. Der Weg ist steinig und steil. Wenn wir zuerst auch mit Singen begonnen haben, so endet es allmählich in Ächzen und Stöhnen. Hier im tiefen Wald, wo uns keine menschliche Seele begegnet, gibt es viele hohe Heidelbeerstauden und – man denke im Oktober – tatsächlich finden wir

noch einzelne Beeren. Wir treten nun in eine große Lichtung, die einen wilden Eindruck macht; Sicht über Täler und Höhen haben wir nicht. Der Weg zeigt nur viele Spuren von Wildschweinen, die sich scheinbar am nassen Boden und in den Regenpfützen entlangewälzt haben. Die Viecher sind zwar nirgends zu sehen, jedoch wird uns Frauen doch ein bisschen unheimlich – ich denke dabei besonders an Resel. Aber wir haben doch genügend männlichen Schutz! Trotz allem wählen wir uns diesen Wegrand als Frühstücksplatz; vielleicht ausgerechnet, weil alles so wild-romantisch ist, zum anderen wirft gerade hier die Sonne ein paar warme Strahlen hin, die wir auskosten wollen. Frisch und gestärkt treten wir nach ein paar Metern wieder in den Wald und der Weg ändert sich sofort in eine – ich möchte sagen – herrliche Promenade, übersät mit Tannennadeln, worauf man so schön rutschen kann und zu beiden Seiten große schlanke Tannen. Die Luft ist hier so herrlich und rein. Ob den Männern dies so richtig zum Bewusstsein gekommen ist, weiß ich nicht; sie sind weit voraus. Jedenfalls genießen wir zwei Frauen ausgiebig, dieses herrliche Stückchen weg. – Wir wundern uns, dass wir immer noch nicht am „Lärmfeuer“ sind; die Karte weist doch nur eine kurze Wegstrecke auf! Vor uns plötzlich der „Steinerne Tisch“: Wir haben das „Lärmfeuer“ verfehlt. Nach kurzer Rast geht es weiter, nachdem wir anhand der Karte festgestellt haben, dass westlich eine Quelle sein muss. Um den Weg zu kürzen, nehmen wir einen kleinen Pfad, der später ins Nichts verläuft. So geht’s also „querwaldein“ und möglichst rasch talwärts. Der Waldboden ist hier bereits recht feucht, wird nasser und nässer und mutet schließlich fast sumpfig an; aber von einer Quelle ist weit und breit weder etwas zu sehen noch zu hören. Als wir endlich inmitten urwaldähnlichen Gebiets einen gangbaren Weg gefunden haben, verfolgen wir den betrübten Herzens, denn wir ahnen nichts Gutes und der Magen knurrt. Nach kurzer Wanderung treten wir aus dem Wald heraus auf Äcker und Wiesen. Vom Jägerstand aus sehen wir im Tal Unter-Ostern liegen. Engelbert und Seppl steigen talab, um Wasser zu holen. Wir Übrigen suchen einen einigermaßen günstigen Platz zum Abkochen; zu dicht an den Wald dürfen wir nicht, zu nahe an den Ort wollen wir nicht. Da ist die Auswahl nicht so groß. Am Wegrand machen wir endlich unsere Feuerstatt, rasten wollen wir unterm Apfelbaum. Steine sind auch kaum aufzutreiben, mit Mühe und Not reicht es. Hier auf der freien Höhe ist es recht

windig, dementsprechend benimmt sich unser Feuer, und die Suppe schmeckt vom Ruß besonders gut. Kartoffeln haben wir gesammelt und wollen sie in der Asche rösten. Aber niemand hat Appetit darauf, nur die Falläpfel sind ein willkommener Nachtisch. Zum Essen wird es uns auf freier Höhe zu kalt, wir verziehen uns an den Waldrand, inmitten Ginster und Brombeerbüschen. Es schmeckt allen gut, trotz Ruß und Dreck, aber unser Topf wird nicht leer. Klaus hütet inzwischen das Feuer. Unsere Teller und Töpfe müssen wir dreckig mit ins Dorf nehmen, um sie dort auf einem Bauernhof unter der Viehtränke zu reinigen, der Hofhund bekommt von Seppel den Rest ins Futternapf.

Nachdem wir uns selbst dann auch etwas frisch und sauber gemacht haben, geht es weiter. Wir müssen an den Heimweg denken. Wir beschließen, nach Weschnitz zu gehen. Der Weg führt durch einen Bauernhof und es dauert eine ganze Zeit, bis wir ihn gefunden haben. Er ist steinig und führt über freies Feld, er gefällt uns nicht. Nach kurzer Zeit aber kommen wir an den Waldrand und es wird herrlich. Durch einen tiefen Hohlweg ist es schon recht dunkel und dann überqueren wir eine Quelle, an der wir feststellen, dass hier ein herrlicher Platz zum Kochen gewesen wäre. Nun ist es zu spät – ein anderes Mal. Die Sonne hat nun schon ihre Bahn beendet und über den dunklen Tannenwald lugt der Vollmond hervor, als wolle er uns helfen den rechten Weg zu finden. An dem Scheinwerferlicht der Autos kann man schon lange die Hauptstraße verfolgen. Ich habe große Angst, dass wir den Autobus nicht erreichen. Deshalb bin ich der Schrittmacher. Bernd und Monika sind ganz ruhig geworden, fassen sich an und erzählen wie zwei Erwachsene. Überall tauchen jetzt Lichter im Tal

auf, kleine Ortschaften. Es ist bereits ganz dunkel geworden, als wir Weschnitz erreichen.

Bis zur Abfahrt des Autobusses, das uns wieder gen Heppenheim bringen wird, haben wir noch Zeit. So besuchen wir noch die „Weschnitzer Kerb“. Bei einem kurzen Blick in den rauchverdichteten Tanzsaal stellen wir einmütig fest, dass uns eine Wanderung wie die heutige doch mehr zu geben vermag als ein Fest in vier Wänden.

Herta

 Heppenheim, d. 4. März 1953

Neunkirchner Höhe - 1. Mai 1952

Teilnehmer: Herta, Resel, Cläre, Gisela; Hans, Josef, Engelbert, Philipp

Gäste: Doris Schäfer

Kinder: Klaus, Maria, Bernd

Als ich am 16.10.1951 feierlich meinen Beitritt zur „Knüppelgarde“ erklärte, hatte ich noch keine Ahnung, dass ich mich damit rückwirkend verpflichtet hatte, die Analen einer heute längst verflossenen Vereinstat aufzuzeichnen und mir somit als zweiter Tacitus einen nicht ganz eindeutigen „Ruhm“ zu erwerben. Ich habe zwar des Öfteren darauf hingewiesen, dass ich hierfür völlig ungeeignet bin und in dieser Beziehung sogar ein sehr schlechtes Gedächtnis besitze, aber es blieb mir nichts anderes übrig, als dem hohen Befehl unseres derzeitigen Präsidenten (hoch soll er leben) zu folgen, zumal er darin noch von seiner holden Gemahlin unterstützt wurde. Dafür lehne ich jedoch jegliche Verantwortung für die Folgen eines solchen Beginnes ab.

Ich will jedoch versuchen, wenigstens einige kleine Episoden unserer gemeinsamen Wanderung zu rekonstruieren:

Als wir uns am frühen Morgen des 1. Mai mit Kind und Kegel und schwer bewaffnet versammelten erregten wir kein geringes Aufsehen. Wir suchten dann, in dem zur Abfahrt bereitstehenden Omnibus solange nach Fensterplätzen, bis fast alle übrigen Plätze belegt waren und wir zum Teil halb noch auf den Trittbrettern stehend, gerade so mitkamen. Auf der nächsten Station wurde noch ein Teilnehmer, der sich etwas verspätet hatte (ich glaube es war Herta) mit großem Hallo empfangen. Weiter ging die Fahrt durch das Kirschhäuser Tal in Richtung Fürth und wir hatten uns gerade so

schön daran gewöhnt, als unser Führer Engelbert kurz hinterm Guldenklinger Hof, nachdem der Wagen nämlich gehalten hatte, seine störrige Herde mit viel Geschick und Mut auf die Straße bugsierte. Diesmal ging alles glatt und wir hatten keine Ausfälle zu beklagen, wie bei der vorjährigen Fahrt unseligen Gedenkens.

Auf einer Seitenstraße, die nach Scheuerberg führte, bewegten wir uns in aufgelockerter Marschordnung und ließen unseren Ergüssen über die gerade in voller Blüte stehenden Apfelbäume, die saftigen Wiesen und die frische Luft freien Lauf. Hin und wieder trafen wir auf einige weidende Kühe und wetteiferten in dem Bestreben deren Sprache phonetisch einwandfrei wiederzugeben. Die Leute in den Dörfern, die gerade beim Kaffeetrinken waren oder ihre Motorräder für eine Spazierfahrt putzten, blickten uns an wie das siebte Weltwunder und hielten uns wahrscheinlich für aus der Anstalt entsprungen. Von Zeit zu Zeit machte jemand im Gehen Frühstück und markierte so unseren Weg für eventuelle Nachzügler mit Eierschalen und Wursthäutchen.

Nachdem wir endlich einen netten Rastplatz im Walde gefunden hatten, waren die Stullen größtenteils verzehrt und somit kein Grund vorhanden mehr als eine Zigarettenlänge zu verharren.

Bis jetzt war alles zur vollsten Zufriedenheit verlaufen: Die Luft war noch angenehm kühl und der Weg ziemlich eben. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben; für manche sollte es ein Kreuzgang mit vielen Leidensstationen werden.

Gegen Mittag wurde es immer heißer. Der Weg steiniger und steiler und wir mussten zeitweilig sogar durch kleine Dunghaufen waten, da die Bauern anscheinend versehentlich anstelle ihrer Äcker den Weg gedüngt hatten. Von gewisser Seite wurde der verantwortliche Führer sogar für unfähig erklärt, weil er nicht in der Lage sei, einen nur durch Wald führenden Weg zu finden.

In kluger Voraussicht hatten verschiedene Teilnehmer vergessen, etwas trinkbares mit-
zunehmen, sodass sie wohl oder übel gezwungen waren, im nächsten Gasthaus einzukehren. Hierbei zeichnete sich besonders unser kleiner Bernd durch einen erstaunlichen Durst aus, der weder mit Bier, Coca Cola oder Kaffee zu stillen war.

Die soliden setzten unverdrossen ihren Weg über Seidenbach – Seidenbuch – Glattbach fort, sodass es den Nachfolgenden kaum gelang, sie wieder einzuholen.

Nachdem wieder alle glücklich vereint waren und bei Kolmbach die Nibelungenstraße überquert war, begann der entscheidende Sturm auf die Höhe der neun Kirchen. Von so vielen Kirchen war zwar nicht zu sehen und man fragt sich zurecht, mit welcher Berechtigung der Berg diesen Namen führt, aber wahrscheinlich sind sich die Gelehrten über dieses Problem selbst noch nicht einig. Vielleicht ist es ganz einfach nur eine orthographische Verwechslung und gemeint sind nur Kirschbäume.

Wie dem auch sei: Als wir schließlich nach beschwerlichem Aufstieg auf der Höhe angelangt waren, waren wir alle begeistert, und dass wir unser Ziel tatsächlich erreicht hatten und nicht per Zufall eventuell auf dem Melibokus gelandet waren. (Letzteres hätte unter einer anderen Führung durchaus im Bereich der Möglichkeit gelegen).

Nachdem die letzten Bestände in unseren Brotbeuteln sowie diejenigen des Burggastwirts an Pepsi-, Coca-, und Cola restlos vernichtet waren, konnte man endlich an ein Erklimmen des X-m hohen Kaisertums denken. Trotz raffiniertester Überredungskünste gelang es nicht, den Burgwart davon zu überzeugen, dass es sich bei unserer Gesellschaft um eine Schulklasse handelte, der eine besondere Eintrittsermäßigung zustand. (Die zahlenmäßige Überlegenheit der Lehrer über die Schulkinder war ihm anscheinend nicht ganz geheuer).

Anschließend warteten wir noch eine Weile vergeblich auf zwei Bekannte mit denen

unser Präsident ein Stelldichein ausgemacht hatte; dann traten wir den Rückzug in Richtung Neunkirchen – Brandau an. Unterwegs rasteten wir noch an einem munteren Bächlein, um die erhitzten Füße etwas abzukühlen und die Kinder schlafen zu legen. Da es aber inzwischen ziemlich spät geworden war; machten wir uns unter allgemeinem Gestöhn bald wieder auf die Socken, um nach langen Irrfahrten auf der Nibelungenstraße bei Lautern wieder festen Fuß zu fassen. Ähnlich muss es den alten Griechen ergangen sein, als sie nach gefährlichem Marsch durch Feindesland endlich das Meer erblickten und in den freudigen Ruf ausbrachen: „O Thalatta, O Thalatta“. In unserer Sprache würde das etwa folgendermaßen lauten: „Ein Gasthaus, ein Gasthaus!“

Dort warteten wir auch, nachdem wir uns noch einmal ordentlich gestärkt hatten, auf die Abfahrt des Busses, der uns dann über Reichenbach und Bensheim glücklich nach Hause brachte.

Obwohl wir alle redlich müde waren, versammelten wir uns abends noch einmal bei einer Maibowle und verblieben in fröhlicher Stimmung bis der letzte Zug unserer auswärtigen Gäste nach Hause rief.

Leider sollte dies für 1952 die letzte Wanderung gewesen sein. Wir wollen jedoch alle hoffen, dass der 1. Mai 1953 uns wieder eine so schöne Fahrt bescheren wird.

Heppenheim, 6.Januar.1953, Josef.

Buchklingen i. Odenwald - 15. März 1953

So geht es im Leben. Vor einem Jahr, als ich der Einladung Cläres zum Wandern gefolgt bin ahnte ich noch nicht, dass ich heute als letztes Mitglied der Knüppelgarde dazu verurteilt wäre diesen Bericht zu schreiben.

Am Sonntag, den 15. März fand nach langer Pause die erste Wanderung im Jahre 1953 statt. Das Ziel Buchklingen; ein Dörfchen im Odenwald. Engelberts Vater hatte dort vor vielen Jahren als junger Lehrer den Dorfkindern die Hosen ausgeklopft.

Um 8 Uhr früh fuhr ich schon nach Heppenheim in der Hoffnung, dass die anderen alle zusteigen werden. Als aber niemand auf dem Bahnsteig zu sehen war stieg ich aus und begab ( mich in ) die Wohnung von Familie Hillenbrand. Nachdem ich Cläre beim Zurechtmachen der Tagesverpflegung half rannten wir in letzter Minute zum Bahnhof: Josef und Engelbert waren glücklicherweise schon vorausgeeilt, um die Fahrkarten zu holen. Nun konnte es losgehen.

Zunächst also nach Weinheim. Die Sonne lachte vom Himmel und versprach uns einen herrlichen Tag. In Weinheim angekommen vergrößerten wir erst unseren Proviant durch einige Orangen, denn an heißen Tagen gibt es bekanntlich

viel Durst. - zuerst stiegen wir zur Ruine Windeck hinauf. Auf dem Wege war uns sicher der Osterhase vorausgeeilt. Maria und Burkhard fanden die ersten Ostereier. Nachdem wir einen kurzen Blick ins schöner Bergsträßer Land geworfen hatten, ging es fröhlich weiter zur Wachenburg. Von hier hat man eine herrliche Aussicht in den vorderen Odenwald. Wir sahen in der Ferne Lindenfels; die Neunkircher Höhe und das Gumpener Kreuz. Beim Verlassen der Burg wollte Engelbert eine Rede halten. Er stand schon auf dem Balkon. Als er aber sah, dass Josef schon Steine zu sammeln begann ließ er es lieber sein. Dann ging der Weg weiter durch Feld und Wald mit frohem Gesang dem Ziel entgegen. Dort angekommen begaben wir uns sogleich in ein Gasthaus, um bei einem Teller Suppe die mitgebrachten Brote zu verzehren.

Nach dem Essen gingen wir weiter. Wir fanden eine schöne große Wiese. Hier machten wir Rast. Sicher war auch hier der Osterhase darüber gehoppelt, denn unsere Kinder fanden eine ganze Menge Ostereier. Selbst die Männer waren so kindisch, dass sie mit der Orange Ball spielten. Mit frohem Gesang ging es weiter. Selbst dort wo der Durchgang verboten war, ließen wir uns nicht hindern.

Von Kallstadt aus kamen wir wieder auf die Chaussee nach Niederliebersbach. Hier suchten wir wieder eine Wirtschaft auf, denn es war inzwischen Kaffeezeit geworden. Nach kurzem Marsch auf der Landstraße kamen wir an eine Anhöhe, die wir schnaufend erstiegen. Unser armer Burkhard war vor lauter Eifer in eine Pfütze getreten und hatte seinen schönen weiße Hose von oben bis unten beschmutzt. Was ihm eine gehörige Tracht Prügel von seinem Herr Papa eintrug. Wie wir nach Hause kamen weiß ich heute nicht mehr.

Pfingsten 1957. Inzwischen sind 4 Jahre ins Land gezogen. Viel Wasser ist den Rhein hinuntergeflossen. Familie Hillenbrand hat Heppenheim verlassen, und ihre

Zelte in Ludwigshafen aufgeschlagen. Zu unseren Kindern haben sich zwei muntere Bürschlein, Roland und Volker gesellt. Mit dem Wandern ist in dieser großen Stadt nicht viel zu machen. Wer soll die Kinder hüten? Oma und Opa sind gar weit. Aber das alles soll uns nicht verdrießen. Viele, viele schöne Stunden haben wir in den 4Jahren schon verlebt .– ich möchte nicht eine davon missen. –

Doris